Der Club-27 ist keine Vereinigung, der man gerne beitreten würde. Er enthält nur Musiker, die im bezeichnenden Lebensjahr verstarben. Zufall? Oder eine Reihe zusammenwirkender Faktoren?
Es ist gerade einen Monat her, da hatte das „jüngste“ Mitglied des Club-27 seinen siebten Todestag – das britische Stimmwunder Amy Winehouse. So wie ihre Karriere stehen die vieler ihrer „Club-Kollegen“ für ein Leben nach den Regeln des Rock´n´Roll: Live fast, die young. Ein kometenhafter Aufstieg gefolgt von einem meist urplötzlichen, nichtnatürlichen Tod. Stoff für Verschwörungstheorien – ebenso aber ziemlich plausibel klingende Erklärungsansätze.
- Die Mitglieder
Eine Besonderheit des Club-27 ist die Tatsache, dass seine Mitgliederliste uneinheitlich ist. Rechnet man sämtliche (oft nur national) bekannten Musiker hinzu, ergeben sich 42 Persönlichkeiten rund um den Globus – das ist wie gesagt die erweiterte Liste. Musikjournalisten und andere Fachleute ziehen jedoch deutliche Abstriche und lassen nur solche Stars zu, die von entscheidendem Wert für die Musik waren. In der Reihenfolge des Todestags sind das:
- Brian Jones, Leadgitarrist der Rolling Stones, ertrank unter bislang nach wie vor ungeklärten Umständen 1969 in einem Swimmingpool.
- Jimi Hendrix, autodidaktisches Gitarren-Genie, erstickte an einem eigenen Alkohol-induzierten Erbrochenen im Jahr 1970
- Janis Joplin, Blues- und Folklegende, überlebte Hendrix um 16 Tage und verstarb an einer Überdosis Heroin.
- Jim Morrison, Leadsänger der Doors und musikalische Ikone der Hippie-Bewegung, verstarb 1971. Offiziell an einer Überdosis Drogen, tatsächlich sind die Begleitumstände seines Todes sehr nebulös.
- Kurt Cobain, Frontmann von Nirvana, Idol der Grunge-Generation, erschoss sich 1994 unter Heroineinfluss mit einer Schrotflinte.
- Amy Winehouse, Soul-Diva, hatte bereits viele Jahre Alkohol- und Drogenmissbrauch betrieben, starb 2011 an einer schweren Alkoholvergiftung (über 4 Promille).
Was dabei auffällt: Vier der sechs Clubmitglieder starben innerhalb von nur zwei Jahren. Bezeichnenderweise fällt ihr Tod auch mit dem Ende der klassischen Sixties-Ära und ihrer neuen Spielarten von Musik und Lebensphilosophie zusammen.
„Erweiterte Mitglieder“ sind Alan Wilson von Canned Heat (1970), Ron McKernan von Grateful Dead (1973), Gary Thain von Uriah Heep (1975) sowie ferner Richey Edwards von den Manic Street Preachers (1995) – letzterer verschwand und wurde nie wieder gesehen.
Auffällig ist dabei vor allem, dass es, zählt man alle Musiker zusammen, auch die Nichtgenannten, eine statistisch signifikante Häufung gibt. Jung zu sterben war und ist unter Künstlern zwar verbreitet, jedoch ist es die 27, die mehr Mitglieder aufweist – mit ein Grund für zahlreiche Verschwörungstheorien.
- Rationale Erklärungsansätze
All diese Musiker eint, dass sie sich mit 27 auf dem Höhepunkt ihrer Karriere befanden. Die meisten seit mehreren Jahren. Zudem waren bei allen definitiv oder mutmaßlich Drogen und/oder Alkohol im Spiel. Die plausibelsten Theorien, die von verschiedenen Fachleuten vertreten werden sind folgende:
- Eine britische Universität fand in einer Studie heraus, dass die Sterbewahrscheinlichkeit von Stars, ungeachtet des Alters, in den ersten fünf Jahren ihres Erfolges generell besonders hoch ist. Als Grund nimmt man einen Euphorie-genährten, generell sorgloseren, riskanteren Lebensstil an
- Alle Stars des Club-27 hatten einen sehr exzessiven Lebensstil, der von Psychoanalytikern in die Nähe von Borderline-Persönlichkeitsstörungen gerückt wird. Das wird befeuert durch Studien, die herausfanden, dass Borderline-Ausprägungen just in diesem Alter am stärksten sind und dann am hemmungslosesten zu Rauschmitteln gegriffen wird.
- Die Stars führten ob ihres Berufs ein starkes Indoor- und Nachtleben. Das könnte zu einem lapidaren Vitamin-D Mangel, dadurch verstärkte depressive Verhaltensmuster und darüber zu einem entscheidend überhöhten Drogen- bzw. Alkoholkonsum geführt haben.
- Sie alle waren Ausnahmetalente, die aber von Zeitgenossen als verschroben, eigenbrötlerisch, grüblerisch dargestellt werden. Eindeutig suizidale Absicht konnte zwar nur bei Kurt Cobain nachgewiesen werden; allerdings liegt der Verdacht nahe, dass alle ihre eigenen Probleme mit dem Ruhm, dem Medienrummel hatten, der ihnen seit Jahren zuteilwurde.
So lapidar es klingen mag, aber es scheint, zumindest von einem faktenbasierten Standpunkt aus, so, als bestünde das Gremium des Club-27 aus Menschen, die unterschiedlich stark an seelischen Problemen litten, diese durch Rauschmittel zu betäuben suchten und darüber starben. Allerdings verbleiben natürlich viele Ungereimtheiten, wodurch verschiedene Theorien entstanden.
Verschwörungstheorie 1: Absatzsteigerung
Es gibt nur ein Mittel, mit dem sich die Verkaufszahlen von Tonträgern und Merchandise eines bereits höchsterfolgreichen Künstlers steigern lassen: seinen Tod auf dem Höhepunkt des Zenits. Irgendwann verblasst jeder Erfolg, landen Alben nicht mehr in den Charts. Durch einen frühen Tod wird der Ruhm jedoch auf quasi ewig eingefroren. Unmittelbar nach dem Ableben, das zeigt jeder Fall von früh gestorbenen Berühmtheiten, gehen Verkäufe ihrer Werke und allem, was damit zusammenhängt, durch die Decke. Doch das Prinzip funktioniert auch noch nach Jahren, teils Jahrzehnten und nicht nur im Club-27.
- Erst zwei Jahre nach dessen Tod wurde die Single „Changes“ des Rappers 2Pac 1998 veröffentlicht – zusammen mit einem Best-of-Album, das in mehreren Ländern Gold-, Platin- und Diamantstatus erreichte.
- Eine Gitarre von Jimi Hendrix, mit der er 1967 auf dem Monterey Pop Festival gespielt hatte, rief 2017 bei einer Versteigerung ein Startgebot von 500.000 Dollarauf – bevor der Sammler das Angebot zurückzog.
- Ein „Mugshot“, also ein Polizeifoto nach der Festnahme von Jim Morrison ging 2008 beim Auktionshaus Christie’s für 10.000$ weg.
Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Doch sie würde nur zeigen, dass es durchaus lukrativ sein kann, wenn ein Musiker auf dem Höhepunkt seines Schaffens ablebt. Darauf heben auch viele Verschwörungstheoretiker ab: Manager, Plattenfirma oder sonst jemand, der durch solche Verkäufe viel Geld machen würde, hätten Morde begangen und es wie Überdosen oder Unfälle im Rausch aussehen lassen.
Verschwörungstheorie 2: Vortäuschung
Wohl kaum ein Leser dürfte auf Osnabrücks Straßen noch nie jemanden gesehen haben, der auf den ersten Blick einem eigentlich toten Bekannten/Verwandten enorm ähnelte. Doch wo wir wissen, dass das natürlich nicht sein kann, kann das gleiche bei Stars durchaus dazu führen, dass Verschwörungstheorien entstehen. Von allen Mitgliedern des Clubs war bekannt, dass sie mit dem Ruhm mehr oder weniger schlecht zurechtkamen. Insbesondere Kurt Cobain litt sehr darunter.
Den Tod vorzutäuschen, um diesem Mix aus Pressemeute, Plattenverträgen usw. zu entfliehen erscheint da als plausible Tatsache – die aber größtenteils schon durch DNA-Beweise widerlegt wurde. Auch wenn die DNA manchem auch noch mehr Verschwörungs-Phantasie verleiht…
Verschwörungstheorie 3: Das weiße Feuerzeug
Die wohl krudeste Theorie bezieht sich auf die typischen „BIC“-Einwegfeuerzeuge, genauer gesagt die Weißen. Nicht wenige Menschen glauben, diese seien verflucht, würden Pech bringen – die Theorien unterscheiden sich da ein wenig, haben aber immer mit äußerst negativen Nachteilen für den Besitzer bzw. Träger des Feuerzeugs zu tun.
Hier kommt hinzu, dass bei den postmortalen Untersuchungen von Hendrix, Joplin und Morrison Feuerzeuge in deren Taschen gefunden wurden. Allerdings kann die Theorie sehr leicht entkräftet werden: Das Einwegfeuerzeug wurde nicht vor 1973 erfunden. Es ist also unmöglich, dass diese Musiker eines davon, ob nun weiß oder nicht, bei ihrem Tod bei sich trugen.
Verschwörungstheorie 4: Dabei sein
So absurd es klingen mag, aber es gibt Menschen, die der Ansicht sind, dass zumindest die letzten beiden „Neuzugänge“ des Clubs, sprich Kurt Cobain und Amy Winehouse, mit voller Absicht dem Club beitreten wollten, ja, sich in einer Art „Wahn“ dazu entschlossen hätten, es Joplin und Co. gleichzutun.
Doch auch diese Theorie ist noch schneller entkräftet, als man sie aufstellen kann. Die Idee, dass es überhaupt einen Club-27 geben könnte, kam erst nach Cobains Tod auf – die Presse erfand ihn, um Parallelen zu ziehen.
Fazit
Für manche Menschen scheint es durchaus möglich zu sein, dass Plattenfirmen ihre „Zugpferde“ umbringen lassen. Ungleich realistischer dürfte für den Club-27 jedoch folgendes sein: Junge Menschen von großem Talent, die alle im gleichen Lebensjahr einem negativen Beiprodukt ihres Erfolgs und Talents unterlagen, weil alle sich charakterlich stark ähnelten, alle Rauschmittelprobleme hatten und alle in etwa gleich lange auf dem Rock´n´Roll-Karussell unterwegs waren. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Und in jedem Fall ein Verlust für die (Musik-) Welt.
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