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Catcalls of Osna: Mit bunter Kreide gegen Belästigung

Täglich werden Frauen im öffentlichen Raum mit anzüglichen Kommentaren, Geräuschen oder Gesten konfrontiert. Mit bunter Kreide gehen die Osnabrücker Aktivistinnen hinter Catcalls of Osna gegen diese Form der Belästigung vor. Sie schreiben die Erfahrungen von Betroffenen nieder – an dem Ort, an dem sie passiert sind.

Doch was sind Catcalls genau? Als Catcalls bezeichnet man anzügliche Kommentare, Gesten oder Geräusche im öffentlichen Raum. In der Regel sind eher Frauen und Mädchen betroffen, allerdings erleben auch Jungen oder Männer Catcalls.

Mit bunter Kreide gegen Belästigung

„Das Kleid könnte echt kürzer sein“, „ich bin single, heirate mich“ und „wie viel?“ sind nur ein sehr kleiner Teil der Belästigungen, die das Team hinter @catcallsofosna, bestehend aus neun Mitgliedern, auf der im vergangenen Jahr erstellten Instagramseite festgehalten hat. Mit bunter Kreide schreiben die jungen Frauen die Erlebnisse der Betroffenen auf den Boden – an dem Ort, an dem sie stattgefunden haben. Seit Gründung des Accounts sind über 75 Posts online gegangen.

Catcalls of Osna: Mit bunter Kreide gegen Belästigung
/Foto: catcallsofosna

Im vergangenen Jahr gegründet

Im Gespräch mit unserer Redaktion erklären die Gründerinnen, was sie zum Erstellen der Seite bewegt hat. „Ich hatte schon länger die Idee, mich zu engagieren“, so die 26-jährige Lena Ferle. Zusammen mit Kommilitonin Nele Jahn hat sie Catcalls of Osna im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. „Wir haben über eine Freundin von dem Projekt erfahren und schnell festgestellt, dass es so etwas zu dem Zeitpunkt in Osnabrück noch nicht gab. Daher haben wir uns dazu entschlossen einfach selbst eine entsprechende Seite aufzumachen“, so Ferle.

Hintergründe und Ziele

Die Idee für das Projekt geht ursprünglich auf die Instagramseite @catcallsofnewyork zurück, die im Jahr 2016 von Sophie Sanderberg gegründet wurde. Ziel ist es, auf das Thema aufmerksam zu machen und Menschen, die von sexueller Belästigung betroffen sind, eine Stimme zu geben. „Man bekommt schon alleine im Bekanntenkreis so viele Erfahrungen mit. Auf das Thema aufmerksam zu machen, ist für mich einer der Hauptgründe, wieso ich mich für Catcalls of Osna engagiere“, meinte Gründerin Ferle. Betroffene von Catcalls indirekt für ihre Erfahrung verantwortlich zu machen (victim blaming) ist für die 26-Jährige besonders problematisch: „Belästigung passiert täglich auf offener Straße, egal was die Person beispielsweise anhatte.“ Knappe Kleidung gebe Außenstehenden nicht das Recht, sich gegenüber einer Person übergriffig zu verhalten. „In gewisser Weise haben wir Catcalls normalisiert – nach dem Motto: Das passiert uns allen. Gegen diese Normalisierung wollen wir vorgehen. Catcalling ist nicht okay“, macht Jahn deutlich.

Betroffenen eine Stimme geben

„In der Situation, in der die Belästigung stattfindet, fühlen sich Betroffene oftmals hilflos oder überrumpelt“, erklärt Jahn, „mit den Ankreidungen möchten wir Opfern die Stimme geben, von der sie in dem Moment das Gefühl hatten, sie nicht zu haben.“ Oftmals stellt die Ankreidung auch eine Möglichkeit für die Betroffenen dar, sich gehört zu fühlen und mit der Situation abzuschließen. „In einigen Fällen bieten wir auch an, mit der Person zur Polizei zu gehen. Uns ist es wichtig den Betroffenen deutlich zu machen, dass sie nicht alleine sind“, so Jahn.

Catcalls of Osna: Mit bunter Kreide gegen Belästigung
/Foto: catcallsofosna

Kompliment oder Belästigung?

Catcalling löst bei den Betroffenen in den meisten Fällen Unwohlsein oder Angst aus. „Wenn ich irgendwo die Straße entlanglaufe und mir ruft jemand etwas Anzügliches hinterher, ist es sehr unwahrscheinlich, dass ich das in dieser Situation hören möchte“, erklärt Ferle. Der Unterschied zwischen einem Kompliment und einer Belästigung liegt für Jahn unter anderem in der Intention: „Die Intention von einem Kompliment ist, dass sich der andere gut fühlt. Ganz oft ist es bei Belästigung eher das Ziel, dass der Täter oder die Täterin sich in diesem Moment mächtiger fühlen.“

Blicke, Worte und Verfolgungen

Oft gingen Belästigungen auch mit Übergriffigkeiten oder körperliche Nähe einher: „Einige der Nachrichten, die wir über unseren Account erhalten, beinhalten auch Verfolgungen.“ Das Gefühl von Belästigung oder Angst wird bei einigen Betroffenen allerdings nicht nur über Worte, Berührungen oder das Hinterherlaufen ausgelöst. „Auch Blicke können in bestimmten Situationen eine belästigende Tendenz haben. Wenn etwas auffällig ist, schauen wir als Menschen hin – das ist in gewisser Weise normal. Aber wenn man als Frau im Sommer, weil es heiß ist, mit Shorts und einem Top nach draußen geht und permanent angestarrt wird, hat das damit nichts mehr zu tun. Man fühlt sich wie ein Stück Fleisch an der Fleischtheke“, stellt Mitglied Svanhild Ries fest. Belästigung brauche nicht verbale oder physische Elemente, um Betroffenen starkes Unwohlsein zu bereiten.

Catcalling ist keine Seltenheit

Besonders traurig ist, das übergriffiges Verhalten und Belästigung dieser Art keine Seltenheit zu sein scheinen. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklären die vier jungen Frauen, dass sie alle bereits Opfer von Belästigung geworden sind. „Wenn ich das Thema mit Freundinnen oder Bekannten anschneide, wird mir immer wieder deutlich, wie viele Frauen in ihrem Leben mindestens einmal eine solche Erfahrung machen“, berichtet Mitglied Nele Winkler. „Ich kenne in meinem Freundeskreis auch keine Frau, die so etwas noch nicht erlebt hat“, fügt Ries hinzu.

Minderjährige sind auch betroffen

Über den Instagramaccount bekommt das Team hinter Catcalls of Osna des Öfteren auch Nachrichten von minderjährigen Betroffenen. „Catcalls scheinen je älter wir werden, immer weniger zu werden. Am meisten passiert das, nach meinen Erfahrungen und meinem Wissen, zwischen elf und siebzehn Jahren“, erklärt Jahn. Generell erhält der Account circa fünf bis zehn Nachrichten in der Woche.

Catcalls of Osna: Mit bunter Kreide gegen Belästigung
/Foto: catcallsofosna

Das Ankreiden

Für das Ankreiden der Erfahrungen ziehen die Mitglieder immer mindestens in Zweiergruppen los. „Bis jetzt hatten wir das Glück, das wir noch keinen richtig unangenehmen Zwischenfall hatten – allerdings kennt man diese Erfahrungen aus anderen Städten. Daher ist es uns wichtig, dass niemand alleine unterwegs ist um Ankreiden zu gehen“, so Jahn. Passanten reagierten bisher in den meisten Fällen eher neugierig und erkundigten sich nach dem Hintergrund der Aktion. „Für die Ankreidungen benutzen wir übrigens immer wasserlösliche Kreide. Das ist nichts Dauerhaftes, wie beispielsweise ein Graffiti“, ergänzt Ferle.

In anderen Ländern eine Straftat

In anderen Ländern – wie beispielsweise Portugal, den Niederlanden oder Frankreich – ist „Catcalling“ eine Straftat. Dies ist in Deutschland nicht der Fall. „Neben unseren Hauptanliegen den Betroffenen eine Stimme zu geben und auf das Thema aufmerksam zu machen, ist das auch ein Ziel, auf das wir hinarbeiten“, erklärt Jahn abschließend. Entsprechende Petitionen wurden bereits in der Vergangenheit ins Leben gerufen.

 

 


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