Vor knapp einem Jahr, Ende November 2014, wurden die Osnabrücker erstmals damit konfrontiert, dass Flüchtlinge in Zukunft in großer Zahl in die Hasestadt kommen werden. Schon wenige Tage nachdem die Pläne für das Auffanglager am Natruper Holz bekannt wurden, lud Oberbürgermeister Wolfgang Griesert Anwohner und Interessierte zu einem Bürgerforum, um Informationen zu teilen und Fragen zu beantworten. In dieser Tradition stand das außerordentliche Bürgerforum am Donnerstagabend in der Käthe-Kollwitz-Schule am Schölerberg.
Hier geht es zu den Fragen und Antworten der anschließenden Fragestunde.
Bereits im kommenden Jahr sollten hier die Bagger anrücken und das nicht mehr benötigte Schulgelände zu Bauland werden, doch die aktuelle Flüchtlingskrise zwingt die Stadt, jetzt umzudenken.
Mit rund 250 Besuchern war die Aula des ehemaligen Gymnasiums buchstäblich bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben dem Oberbürgermeister waren zahlreiche Vertreter der Stadtverwaltung und von Hilfsorganisationen auf dem Podium – unter den Zuhörern auch Vertreter aller im Stadtrat vertretenen Parteien.
Eine „besondere Tradition“: wie Osnabrücker mit Herausforderungen umgehen
Trotz einiger kritischer Fragen von Bürgern war die Grundstimmung positiv. Im Verlauf der Veranstaltung zeigte sich der Oberbürgermeister stolz über diese „besondere Tradition“ in Osnabrück, wie mit derartigen Herausforderungen umgegangen wird. Auch im Ministerium seines Amtsvorgängers Boris Pistorius sei man immer wieder überrascht über die Haltung der Osnabrücker, so Wolfgang Griesert.
Bevor das Podium auf die Fragen der Anwohner antworten konnte, gab es vom Stadtoberhaupt einen detaillierten Einblick in die aktuelle Planung und die Aufgaben, vor denen die Stadt steht.
Hunderte Menschen müssen in den kommenden Wochen untergebracht werden
Wolfgang Griesert redete nicht lange um die Herausforderung herum, sondern lieferte Zahlen:
Bis Ende Januar wird die Stadt weitere 490 Flüchtlinge aufnehmen, für 700 Menschen gibt es aktuell Platz in kommunalen Einrichtungen, 300 finden Unterkunft in privat angemieteten Wohnungen. An insgesamt 13 Orten innerhalb des Stadtgebiets wurden bereits Flüchtlinge untergebracht.
Für weitere 300 Menschen werden noch Unterkünfte benötigt – ein Teil der Lösung ist das ehemalige Käthe-Kollwitz-Gymnasium. In drei Gebäudeblöcken werden 20 Klassenräume so umgebaut, dass dort bis zu sieben Flüchtlinge in einem Raum untergebracht werden können.
Dirk König vom städtischen Gebäudemanagement erläuterte die bis zum Einzug notwendigen Baumaßnahmen, bei denen auch die Sanitäranlagen und der Brandschutz im Fokus stehen. Auch die Warmwasserversorgung muss den neuen Anforderungen angepasst werden. Die Kosten für den Umbau werden bei einem sechsstelligen Betrag liegen.
Flüchtlingszahl wird sich 2016 mehr als verdreifachen
Die aktuell der Stadt auferlegte Quote wird sich allerdings im kommenden Jahr dramatisch verändern. Aktuell rechnen die Verantwortlichen im Rathaus damit, dass der Stadt im kommenden Jahr weitere 1.900 Flüchtlinge zugewiesen werden.
Zusammen mit den im Zuge der Amtshilfe in der vergangenen Woche kurzfristig in Hellern eingerichteten Unterbringungskapazitäten, der bald erreichten Vollbelegung des Aufnahmelagers am Natruper Holz und der vom Land Niedersachsen geplanten Einrichtung zusätzlicher Erstaufnahmekapazitäten im Stadtgebiet, dürfte sich die aktuell erreichte Flüchtlingszahl binnen der kommenden zwölf Monate in etwa verdreifachen. In Summe werden es 2016 mehr als 5.000 Flüchtlinge sein, die in Osnabrück untergebracht werden.
In den Ausführungen des Oberbürgermeisters fiel angesichts dieser Zahlen das Wort „dramatisch“, das forderte einen Zwischenrufer heraus:
Das ist doch nicht dramatisch!“
So wollte sich das Stadtoberhaupt allerdings auch nicht verstanden wissen, Wolfgang Griesert brachte die Situation danach auf den Punkt:
Die Herausforderung wird immer größer.“
Diese Ansicht bestätigten auch die Experten auf dem Podium – wobei grundsätzlich der Eindruck vorherrschte, die Situation gemeinsam handhaben zu können.
Seda Rass-Turgut, die Integrationsbeauftragte der Stadt, erläuterte das bisher verfolgte Konzept, Flüchtlinge in der Stadt möglichst dezentral im Stadtgebiet in einzelnen Wohnungen unterzubringen. Auch wenn man angesichts der nun erwarteten Flüchtlingszahlen so nicht weiter machen könne, ist sie davon überzeugt, dass es mit den Nachbarn am Schölerberg eine gutes Miteinander geben wird.
Gabi Gaschina vom Verein „Outlaw“ erläuterte, wie sich aktuell sieben Sozialarbeiter um die Flüchtlinge kümmern. Die Quote von einem Sozialarbeiter pro 100 Flüchtlinge hat sich bewährt und soll auch in Zukunft beibehalten werden. Eine Aufstockung um weitere zwei Planstellen ist bereits geplant. Die Sozialarbeiter sind oft mehrsprachig, meist können aber auch Ehrenamtliche oder andere Flüchtlinge bei Sprachproblemen helfen. Bei Problemen sollen sich die Anwohner direkt an die Helfer wenden, bislang sei die Nachfrage aber gering gewesen. Man sei immer bereit, mit den Nachbarn der Flüchtlinge ins Gespräch zu kommen und bei Bedarf zu vermitteln.
Auch Ulrich Freisel vom Fachbereich Integration baut auf Kommunikation. Er verwies auf das online verfügbare Informationsangebot „Helfen aber wie“ der Stadt Osnabrück.
Ohne Udo Kunze wäre Osnabrück vermutlich nicht so gut vorbereitet auf die aktuelle Situation. Eine Unterbringung in Zelten und Turnhallen gibt es in Osnabrück auch deswegen nicht, weil Kunze bereits seit 2011 den stetigen Anstieg der Flüchtlingszahlen beobachtete und deswegen über die aktuelle Entwicklung nicht überrascht war. Der Fachmann aus der Stadtverwaltung, der in seiner täglichen Arbeit seit 30 Jahren mit Flüchtlingsbewegungen zu tun hat, konnte bereits gut 40 Objekte daraufhin untersuchen, ob diese in den kommenden Monaten geeignet sind, weitere Menschen aufzunehmen. Anders als in den 90er Jahren, als in Hellern eine ehemalige Discothek und sogar Wohnwagen für die Aufnahme von Flüchtlingen genutzt wurden, sei man jetzt „gut vorbereitet“, so Kunze.
Aktuell bekommt die Stadt etwa 25 bis 30 Flüchtlinge pro Woche zugewiesen. Die Unterbringung soll weiterhin sozialverträglich vorgenommen werden. Statt die Wohnungsnot noch weiter zu verschärfen, setzt Kunze auch auf kleinere und mittlere Hotels, die durch zunehmenden Wettbewerb ohnehin Probleme am Markt hätten, und von der Stadt als ganzes Objekt angemietet werden könnten.
Knapp zwei Stunden standen die Experten für Fragen der Bürger zu Verfügung. Wir haben hier einige der Fragen und Antworten zusammengestellt.
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