Das Bundesinnenministerium zeigt vor einem Treffen zu Migrationspolitik Bedenken bezüglich der juristischen Umsetzbarkeit einer möglichen Zurückweisung von schutzsuchenden Flüchtlingen aus Drittstaaten. Eine juristische Bewertung, die in der „Rheinischen Post“ am Mittwoch zitiert wurde, erklärt die rechtlichen Hindernisse.
Einordnung des Bundesinnenministeriums
Das Bundesinnenministerium äußert Bedenken zur rechtlichen Umsetzbarkeit von Zurückweisungen von schutzsuchenden Flüchtlingen aus Drittstaaten. Das ist das Ergebnis einer Bewertung zur rechtlichen Machbarkeit der Zurückweisungen, die in der Mittwochsausgabe der „Rheinischen Post“ zitiert wurde.
In der Bewertung wird darauf hingewiesen, dass „mit Blick auf den Schengener Grenzkodex (SGK), auf dessen Grundlage vorübergehende Binnengrenzkontrollen bereits durchgeführt werden und Einreiseverweigerungen (grundsätzlich ohne Schutzersuchen) erfolgen, hat der EuGH bereits einen Rückgriff auf Art. 72 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) für unzulässig erachtet, da der SGK die legitimen Interessen der Mitgliedsstaaten ausreichend berücksichtige, da er Ausnahmen im Falle der ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit bereits ermöglicht.“
Einschätzung des Bundesinnenministeriums zur Rechtslage
Dabei werden die hohen Hürden einer solchen rechtlichen Ausnahme beschrieben. Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union erfordere demnach das Vorliegen „einer tatsächlichen und hinreichend schweren Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (öffentliche Ordnung) oder des Funktionierens der Einrichtungen des Staates, seiner wichtigen öffentlichen Dienste oder des Überlebens der Bevölkerung (innere Sicherheit)“, so die Rechtseinschätzung des Ministeriums.
„Deutschland müsste dabei konkret darlegen, dass der Tatbestand erfüllt ist und die Ausnahme erforderlich sowie verhältnismäßig ist“, heißt es weiter. Hierbei komme dem Mitgliedsstaat zwar ein Beurteilungsspielraum zu, die Anforderungen seien jedoch „eng“ und vom EuGH an unionsrechtlichen Maßstäben gerichtlich überprüfbar. Erforderlich wäre eine „substantielle Darlegung der Ausnahmesituation“.
Mögliche gerichtliche Überprüfung
Abschließend weist das BMI darauf hin, dass ein Vorgehen auf Grundlage von Artikel 72 AEUV durch den EuGH gerichtlich überprüft werden könnte. „In Betracht kommt die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland oder aber auch ein Vorabentscheidungsersuchen eines deutschen Gerichts, mit dem der Verstoß gegen Unionsrecht gerügt wird“, so die Bewertung des Ministeriums.
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