So sehr, wie sich die Mobilität künftig verändern wird, ist es notwendig, auch beim Fahrtraining neue Wege zu finden.
Es ist die für die automobile Zukunft Deutschlands vielleicht die wichtigste Meldung der jüngeren Zeit: Karlsruhe wird zum Live-Testfeld, auf dem das autonome Fahren von morgen und übermorgen erprobt wird. Nicht auf irgendwelchen einsam gelegenen Routen oder eingezäunten Arealen, sondern mitten im städtischen Verkehr. Und egal, wie lange es noch dauern mag, bis wir wirklich alle von der künstlichen Intelligenz profitieren werden, so muss dennoch schon für diese Zeit geplant werden. Vor allem für diejenigen, die dann auch noch lenken wollen. Was dafür nötig sein kann, welche Realitäten sich dadurch ergeben, erklärt der folgende Artikel.
Emotionaler Mensch vs. rationaler Computer
Den bei weitem größten Unterschied, allerdings mit einem Ablaufdatum, wird dabei die Übergangsphase machen. Schon wer sich heute auf Osnabrücks Straßen umsieht, stellt fest, dass dort im Alltagsverkehr Autos der Altersstufen 0 bis 30 Jahre rollen – mindestens. Natürlich wird sich daran auch künftig nichts ändern. Bis also eine hundertprozentige Durchdringung des Verkehrs mit selbstfahrenden Autos erreicht ist (sofern das überhaupt der Fall sein wird), werden menschliche und computerisierte Autofahrer miteinander auskommen müssen.
Größtes Problem dabei dürfte tatsächlich der Verlust an Menschlichkeit werden. Einem Computer kann man nicht per Handzeichen die Vorfahrt gewähren, man kann nicht anhand eines Blicks ins Wageninnere feststellen, wohin er gerade schaut. All diese kleinen Gesten und Details machen jedoch einen Großteil des Alltagsverkehrs aus. Es könnte also notwendig sein, Menschen diese Art des Fahrens ab- und ein „computerisiertes Fahren“ anzutrainieren, bei dem man sich stur auf die Kommunikation der Fahrzeuge untereinander verlässt. Für jemanden, der dann erst das Fahren erlernt, wird das leicht sein. Schwer wird es nur für diejenigen, die bereits den Führerschein besitzen und sich an die menschlichen Realitäten und Ungewissheiten auf der Straße gewöhnt haben. Aber: auch das könnte sich ändern…
Lebenslanges Lernen aus Routinemangel
Braucht man für ein Auto, das zwischen Anlassen und Abschalten jede Entscheidung und Handlung selbsttätig trifft, einen Führerschein? Tatsächlich ist das eine Frage, in der sich Experten und Entscheider selbst nicht eins sind. Befürworter träumen von Autos, die selbsttätig die Kinder von der Schule abholen. Und nicht eben wenige Fahrlehrer glauben auch, dass sie zu einer aussterbenden Gattung gehören. Wesentlich kritischer sehen es indes so manche Regierende. Die Option, zumindest im Notfall eingreifen zu können, müsse schon erhalten bleiben.
Doch das bringt uns in die Bredouille: Unvorstellbar, dass in einem Land, das zu denen mit den meisten Gesetzen gehört, Menschen ins (Notfall)Steuer greifen dürften, ohne vorher eine entsprechende Schulung absolviert zu haben. Und genau dort liegt der springende Punkt: Momentan verfolgt Deutschland eine Praxis, bei der man einmal den Führerschein macht und ihn dann ohne weiteres sein ganzes Leben lang behält.
Damit könnte im autonomen Zeitalter Schluss sein. Denn: Wer einmal den Führerschein gemacht hat, dann vielleicht Jahre autonom fuhr und niemals selbst lenkte, der hat, wenn es hart auf hart kommt, nicht die Routine, um richtig zu reagieren. Das Aus der Fahrschulen dürfte also ausbleiben.
Es könnte im Gegenteil sogar notwendig zu sein, etwas grundsätzlich zu etablieren, das heute noch ein seltenes aber sehr nützliches Ausbildungs-Novum ist: Simulatoren. Mit dem Simulator lassen sich sämtliche denkbare Szenen immer wieder und wieder durchspielen, die so im echten Verkehr nicht ohne Gefahr möglich wären. So kann man sich auf Notsituationen besser vorbereiten, zum Beispiel auf zu früh einscherende Überholende.
Dankbar wäre es, dass der Führerschein der Zukunft, wie schon heute in den USA, nur für einen kurzen Zeitraum von mehreren Jahren ausgestellt wird. Wer ihn verlängern will, muss neben dem Sehtest auch in den Simulator und dort seine Fahrroutine auffrischen.
Technische Schulungen?
Autos werden Jahr für Jahr komplizierter. Das Benutzerhandbuch eines Ford aus den 70ern kam vielleicht noch mit einem Dutzend Seiten aus – wenn man es überhaupt benötigte, weil die Ausstattung so überschaubar war. Heute liefern manche Hersteller, je nach Fahrzeugklasse, schon getrennte dicke Wälzer mit, um dem Neubesitzer sämtliche Schalter und Untermenüs näherzubringen. Und wer von einem älteren Auto in das brandneue Vorzeigemodell im Showroom eines Händlers steigt, fühlt sich auch nicht selten auf die „Enterprise“ katapultiert.
Natürlich ist es möglich, selbst komplexe Technik so zu gestalten, dass sie sich dem Normalbenutzer sehr schnell von selbst erschließt. Das nennt sich Software-Ergonomie und funktioniert beispielsweise bei heutigen Smartphones – sowohl mit Apple- als auch Android-Betriebssystemen – ziemlich gut.
Doch hier kommt das Problem: Auch die Autos von Übermorgen werden sich nicht mit Handys vergleichen lassen, die mit drei physischen Tasten auskommen und in denen Hersteller-übergreifend die gleiche Software arbeitet. So funktioniert es nicht, denn auch bei autonomen Fahrzeugen werden die Designer ihre eigene Marke setzen wollen. Dass man 2032 von einem Mercedes in einen Toyota umsteigt und sich alle Bedienelemente und Menüpunkte an der gleichen Stelle befinden, ist Wunschdenken, welches nicht Realität werden wird – auch wenn Google gerne allen Autos Android verpassen würde.
Und da sich eben schon heute Hersteller schwertun, die Bedienung der Fahrzeuge verständlicher zu machen, ist kaum zu erwarten, dass sich das für die Übermorgen-Autos ändern wird. Es könnte also durchaus nötig sein, die Ausbildung dahingehend zu erweitern, den Fahrschülern die Bedienungsgrundlagen, die sich heute nur auf Licht, Blinker, Pedale und Schaltung beschränken, mit sehr viel mehr Raum zu erklären – was überdies auch den Beruf des Fahrlehrers deutlich wandeln würde hin zu einem technischen Erklärer, der Laien das Gesamtsystem Auto näherbringt und nicht nur die Verkehrserziehung.
Erziehung zu Maßhaltigkeit
Es gibt Zeitgenossen, die freuen sich aus einem Grund auf vollautonome Fahrzeuge: Endlich ohne Taxikosten ausgehen, feiern, Alkohol trinken. Danach einfach zu seinem Auto spazieren und den Computer den Rest des Weges absolvieren lassen, während man ein Nickerchen hält oder einfach weiterfeiert. So verständlich dieser Wunsch auch sein mag, er hat ebenfalls nichts mit der Realität zu tun.
Auch hier gilt: Der Fahrer wird sehr wahrscheinlich per Gesetz dazu verpflichtet werden, jederzeit eingreifen zu können. Die Promillegrenze wird also mit ziemlicher Sicherheit unangetastet bleiben. Und auch die Vorstellung, auf der A-30 dem Computer „Warp-Geschwindigkeit“ vorzugeben und im Tiefflug durch die nordwestdeutsche Tiefebene zu brettern, wird eine Vorstellung bleiben. Schon heute stellen fehlende Tempolimits die Autonomen vor große Herausforderungen.
Das Problem an der Sache ist, dass die Farben, in denen das autonome Fahren heutzutage gezeichnet wird, oftmals sehr viel leuchtender sind, als es die zukünftige Realität sein wird. Kaum ein Artikel kommt ohne den Hinweis aus, im morgendlichen Pendelverkehr schon Arbeit erledigen zu können oder sich auf der Urlaubsfahrt mit dem Vordersitz einfach nach hinten zu drehen und mit den Kindern zu spielen. Bis wir so weit sind, werden jedoch mindestens noch zwanzig, eher dreißig Jahre vergehen, in denen der Verkehr zu einem viel größeren Teil autonomer werden muss, um den menschlichen Unsicherheitsfaktor zu verringern.
Bis dahin gilt: Selbst vollautonome Autos werden sich wahrscheinlich mit einem Fahrer fortbewegen, der die Hände im Schoß hat, vielleicht eine in die Frontscheibe eingespiegelte Fernsehserie anschaut, aber ansonsten ziemlich bei der Sache sein wird. Auch das nimmt einmal mehr die Fahrausbildung an die Kandare, denn es muss eben vermittelt werden, dass autonom nicht bedeutet, dass man sich im selbstfahrenden Auto so frei verhalten kann wie zuhause auf der Couch.
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