Im vergangenen Sommer löste die Brandstiftung an der hölzernen Tür des Osnabrücker Rathauses viel Aufsehen aus – nach Festnahme des mutmasslichen Täters und mit Beginn des Gerichtsprozesses am Donnerstag werden Details bekannt, die nochmals aufhorchen lassen.
Für die Brandstiftung verantworten muss sich ein 47-jähriger Mann, der nach eigenen Angaben in der Osnabrücker Trinker- und Drogenszene seine Heimat hatte.
Dem gebürtig aus Meppen stammenden Mann wird, neben drei weiteren ähnlich gelagerten aber weit weniger spektakulären Taten, im Prozess vor dem Landgericht auch vorgeworfen, in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli, die über 500 Jahre alte Eingangstür des historischen Rathauses mit Brandbeschleuniger in Brand gesteckt zu haben. Der Wachdienst des an diesem Wochenende stattfindenden Weinfestes wurde gegen 1.30 Uhr von Passanten informiert. Das Feuer konnte glücklicherweise rasch unter Kontrolle gebracht werden.
Benzin an der Pagenstecherstraße in Milchtüte gezapft
Nach eigenen Angaben hatte der Angeklagte vor seinem Anschlag etwa einen halben Liter Benzin an einer „braun-grünen Tankstelle“ an der Pagenstecherstraße in eine Milchtüte gezapft, was das dortige Kassenpersonal, „eine hübsche Blondine“, offenbar nicht gestört habe.
Früh die Mutter verloren, Drogenkarriere begann im Kinderheim
In der Verhandlung vor dem Osnabrücker Landgericht, bei der es auch darum gehen wird ob und wie weit der Angeklagte überhaupt Schuldfähig ist und ob er nach Ende der Verhandlung dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden soll, wurde am ersten Verhandlungstag vor allem die Vorgeschichte des Mannes, der schon als Kind seine Mutter verloren hatte, besprochen.
Nach dem Tod der Mutter und der Ablehnung durch den Stiefvater folgten mehrere Aufenthalte in unterschiedlichen Heimen, darunter auch die von der Diakonie geführte Anstalt „Freistatt“, die im Nachrichtenmagazin der Spiegel wegen seiner Erziehungsmethoden in den 60er Jahren auch schon als „Vorhof zur Hölle“ bezeichnet wurde und oft mit dem Attribut „berüchtigt“ versehen wird.
Zur der Zeit, als der spätere Brandstifter in Freistatt untergebracht war, soll der Zugang zu Drogen für die Heimkinder nach seinen Angaben dort sehr einfach gewesen sein.
Therapie in der Ameos-Klinik löste angeblich Straftaten aus
Auch später, in einem Obdachlosenheim in Osnabrück, war dann immer wieder „Party“ und die in Obhut des Staates begonnene Suchtkarriere nahm ihren Lauf. Verschreibungspflichtige Medikamente wurden von Ärzten verschrieben, denen der Angeklagte heftige Rückenschmerzen schilderte. Die Schmerzmittel wurden dann teilweise an andere Abhängige weiterverkauft.
Um eine durch den wilden Alkohol- und Drogencocktail ausgelöste chronische Psychose in den Griff zu bekommen, wurde dem Mann in der Ameos-Klinik monatlich eine „Depot-Spritze“ mit Psychopharmaka verabreicht. Doch „die machte aus mir ein Kind“ beklagte sich der Angeklagte und beschrieb, dass er eigentlich immer nur unter dem Einfluss der Psycho-Drogen kriminell geworden sei.
Um auszudrücken „nicht mit mir“, habe er einen Brandanschlag auf die Metallwerkstatt der Ameos-Klink durchgeführt. Zuvor setzte er einen türkischen Gebrauchtwarenladen in der Bramscher Straße in Brand, „damit dort mal aufgeräumt wird“ und weil er vermutete, dass dort gestohlene Sachen verkauft würden.
Plan für Neumarktgestaltung an die Stadtverwaltung geschickt
Ordnungssinn bewies der Brandstifter auch bei der Begründung für seinen Anschlag auf das historische Osnabrücker Rathaus.
Er habe sich zuvor bei den Stadtwerken erfolglos als Müllfahrer beworben, aber eine Absage bekommen, so lautete ein Teil der Begründung für seinen Frust gegen die Stadt Osnabrück. Ausschlaggebend für die Tat im Sommer vergangenen Jahres sei aber sein Ärger darüber gewesen, dass am Neumarkt nichts voranginge.
Einen detaillierten Plan, wie man den Neumarkt neu gestalten könne, habe er an die Stadtverwaltung gesendet, aber von dort nie eine Antwort erhalten.
Verteidigt wird der Brandstifter von Rechtsanwalt Thomas Klein, der auch für die Grüne Ratsfraktion als Ratsmitglied im Stadtrat sitzt. In der Rolle als Kommunalpolitiker sitzt Thomas Klein dann hinter der im Sommer von seinem Mandanten in Brand gesetzten Tür und ist dabei auch regelmäßig an Entscheidungen über die Zukunft des Neumarkts beteiligt – eine feine Ironie der Angelegenheit.
Angebliche Spende in Streichholzschachtel brachte Polizei auf die Spur
Die Festnahme, die der Angeklagte als befreiend beschrieb, gelang der Polizei nach der Spurenanalyse einer Zündholzschachtel, die der Angeklagte in den Briefkasten der SKM Hilfe für Wohnungslose geworfen hatte.
Anhand der darin enthaltenen verkohlten Streichhölzer war angenommen worden, dass es sich um einen missglückten Brandanschlag gehandelt habe. Der Angeklagte beteuerte aber, er hätte in die Streichholzschachtel auch 20 Cent gelegt und er hätte diese auf diesem ungewöhnlichen Wege spenden wollen.
Der Prozess wird mit Zeugen und Gutachtern in den kommenden Wochen fortgesetzt.