Der diözesane Schutzprozess zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt durch Geistliche im Bistum Osnabrück hat insbesondere durch den im vergangenen Jahr vorgelegten Zwischenbericht der Universität Osnabrück einen neuen Stellenwert erhalten. Nun kündigte die Monitoringgruppe zwei zentrale Prozessveränderungen an.
Zum einen wird die ehrenamtliche Gruppe, die bisher aus drei Personen bestand, von Barbara Havliza, ehemalige Niedersächsische Justizministerin, sowie von Esther de Vries vom Kinderschutzbund unterstützt. Denn ehrenamtliche Arbeit gerate nach Dr. Thomas Veen, Sprecher der Monitoringgruppe, die sich als Art Aufsichtsrat zur Einhaltung der Regularien sieht, irgendwann an Grenzen. Zum anderen gibt es seit Anfang April eine unabhängige Beauftragte für den Schutzprozess. Sandra Körbs wird für alle Fragen der individuellen Aufarbeitung für Betroffene ansprechbar sein.
Administrative Bearbeitung bisher zu schwach
Grund für diese Änderungen seien laut Veen vor allem die Schwächen in der administrativen Bearbeitung im Generalvikariat. „Es hat daran gefehlt, angemessen mit Betroffenen umgehen zu können“, erklärt Veen. Anträge seien nicht schnell genug bearbeiten worden. Das habe sich auch ganz klar im Zwischenbericht der Universität Osnabrück gezeigt. Körbs, die zuletzt jahrelang in der Rechtsabteilung der Stadtwerke Osnabrück gearbeitet hat, will einen „starken Beitrag“ für die Aufklärung im Bistum leisten. Die 50-jährige Juristin wird dabei zwar vom Bistum finanziert, agiere aber völlig unabhängig. Veen spricht im Zusammenhang mit ihrer Stelle von einer „quasi richterlichen Unabhängigkeit“, die „nicht den Weisungen des Generalvikariats untersteht“. Als Teil der Monitoringgruppe werde sie Steuerungs- und Überwachungsaufgaben innerhalb des Bistums wahrnehmen. Derzeit befindet sich ihr Büro noch über der Dombuchhandlung, langfristig suche man aber Räume außerhalb des kirchlichen Bereichs, um Betroffenen den Kontakt einfacher zu machen.
Ansprechpersonen für Betroffene bleiben
Nach wie vor sind erste Ansprechpersonen aber Antonius Fahnemann sowie Olaf Düring und Kerstin Hüllbrock von der AWO. Erst in einem zweiten Schritt, wenn sich Betroffene entscheiden, sexualisierte Gewalt offiziell anzuzeigen, schaltet sich dann Körbs ein, die sich um den weiteren Prozess der Aufarbeitung kümmert. Zusätzlich wird es künftig auch noch eine Ombudsperson geben, die Betroffenen ein weiteres Hilfsangebot bietet.
Der Zwischenbericht habe, so Heinz-Wilhelm Brockmann von der Monitoringgruppe, „schwere Versäumnisse“ im Bistum Osnabrück aufgezeigt. Gleichzeitig weise man dort bereits auf positive Entwicklungen durch den Schutzprozess durch Ehrenamtliche hin. „Wir deuten das so, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, so Brockmann. Die Studie habe zudem dafür gesorgt, alte Fälle aufzurollen und gegebenenfalls neu zu bewerten.
Beim Bistum bisher 51 Anträge Betroffener
Derzeit hat das Bistum Osnabrück 51 Anträge Betroffener auf Anerkennung erlittenen Leids registriert, Schätzungen zufolge soll es über 100 Betroffene sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext geben. 70 Beschuldigte macht die Studie der Universität fest. Verlässliche Zahlen gebe es aber erst nach Abschluss der universitären Studie in rund anderthalb Jahren. Grund für die unbekannten Zahlen: Bis Anfang des Jahres habe es keinerlei Pflicht für Aktenführung im Bistum gegeben. Dementsprechend sei ungewiss, wie viele Personen sich bereits gemeldet haben, gegen wie viele Kleriker es Hinweise gegeben habe und wie groß die Problematik sexualisierter Gewalt im Bistum tatsächlich in absoluten Zahlen aussieht.
Personen, denen geistlicher Missbrauch widerfahren ist, können sich an unabhängige Vertrauenspersonen oder an Forscherinnen und Forscher der Universität Osnabrück wenden.