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Auf den Spuren der Hexenverfolgung in Osnabrück – sogar im Escape Room am Neumarkt

Von verwinkelten Gassen aus Kopfsteinpflaster, alten Gemäuern bis zu lebendigen Kulturorten: Die mittelalterliche Altstadt von Osnabrück ist zwar bekannt für seine geschichtstragenden Gebäude, aber wer nicht genau hinsieht, mag übersehen, wie viel Geschichte sich in unserem Alltag tatsächlich verbirgt. Im 16. und 17. Jahrhundert galt die Stadt nämlich als überregionale Hochburg der Hexenverfolgung, der nachgewiesene 260 Menschen – fast ausschließlich Frauen – zum Opfer fielen. Die zahlreichen geschichtsträchtigen Denkmähler, Erinnerungsorte und Schauplätze in der Osnabrücker Altstadt sollen an den historischen Femizid erinnern.

Hexenverfolgung in der Stadt Osnabrück

Was 1490 erstmals mit einem Einzelfall begann, bei dem eine Frau der Hexerei beschuldigt und aufgrund dessen verbrannt wurde, wurde im Laufe der Jahrhunderte auch in Osnabrück zu einem historischen Femizid. Hier wurde dies vor allem durch den lutherischen Stadtrat unter den Bürgermeistern Rudolf Hammacher in den 1580er und Dr. Wilhelm Peltzer in den 1630er Jahren getragen, schreibt Historiker Dr. Nicolas Rügge in seinem Buch „Die Hexenverfolgung der Stadt Osnabrück”. Rügge weist zudem darauf hin, dass die Hexenverfolgung durch den so genannten Hexenhammer ab 1486 legitimiert wurde. Dabei handelt es sich um eine Art misogynes Handbuch, das im päpstlichen Auftrag die behaupteten Vergehen bis hin zur Strafverfolgung schilderte.

Um den Tatvorwurf zu rechtfertigen, gab es demnach ein Zusammenwirken von geistlichen und weltlichen Instanzen. Die typische Anklage reichte von angeblich verwendeten Schadenzaubern, Vergiftungen, der Verbindung zu Hexensekten als Verschwörung gegen die Christenheit und dem Pakt mit dem Teufel, wobei viele dieser Anschuldigungen, die hauptsächlich Frauen betrafen, schon viel älter waren als der Hexenhammer selbst. „Ein solcher Verdacht entstand im Konkreten, im täglichen Umgang, unter Bekannten und Nachbarn; von dort aus konnte er sich mittels Klatsch und Tratsch über kurz oder lang zum Gerücht verdichten – einmal im Verdacht, zog man leicht immer mehr Vorwürfe auf sich – und schließlich in einen förmlichen Prozess münden“, erklärt Dr. Nicolas Rügge. 

Auf den Tatvorwurf hin wurden die angeklagten Frauen, denen es unterstellt wurde, eine Hexe zu sein, schließlich im Rahmen eines Prozesses zu einem Geständnis gezwungen. Dieses war üblicherweise an die Auffassungen von empirisch-exakten Methoden des Mittelalters geknüpft und setzte sich aus vermeintlichen Zeugenaussagen sowie Untersuchungen des Körpers nach angeblichen Teufelsmalen zusammen. All das sollte in einem förmlichen Bekenntnis münden, bei der die Hexe zur Tat gesteht, was allerdings nur unter Folter, auch bekannt als peinliches Verhör, der Fall war.

Marktplatz in Osnabrück (Symbolbild)
Der Marktplatz in Osnabrück. / Foto: Hasepost-Archiv

Vom Bucksturm, über die Hase bis zum Marktplatz: Das sind die historischen Schauplätze der Hexenverfolgung in der Osnabrücker Altstadt

Aufgrund Hunderten von Gräueltaten, die sich in diesen Straßen abgespielt haben, ist es wichtig, an diese zu erinnern und darauf aufmerksam zu machen. Das schreibt auch Dr. Nicolas Rügge in seinen Aufzeichnungen: „Osnabrück verfügt zwar nicht über ein Hexenbürgermeisterhaus wie Lemgo, doch über Bauwerke und Sachzeugnisse von bedeutendem Wert für die Geschichte der Hexenverfolgung. Diese zu bewahren, zu erforschen, zugänglich und bekannt zu machen, ist eine Daueraufgabe für die städtische Denkmalpflege und das Kulturgeschichtliche Museum; zur historischen Bildungsarbeit tragen außerdem themenbezogene Stadtführungen wesentlich bei”, so Rügge. 

Er weist dabei auch auf den bedeutsamsten Schauplatz der Haft und Tortur in Osnabrück hin: „Vermutlich fand das peinliche Verhör von Anfang an im später dafür bezeugten Bucksturm statt, dem damals noch erheblich höheren Turm an der Bocksmauer, der die westliche Stadtbefestigung überragte”, schildert Rügge. „Heute ist der Turm unter Aufsicht zugänglich, eine Tafel außen und eine Ausstellung innen informieren über seine Geschichte.“

„Im Osnabrückischen eingeführt war die Abfolge von Daumenschrauben, Beinschrauben und Streckfolter (Spannung des Körpers durch Hochziehen an einem Strick) sowie deren Verschärfung durch Rutenschläge. Unter diesen Qualen in der Regel nun bekannt wurden die Elemente des gelehrten Hexenbildes, das heißt über den Schadenzauber hinaus der Bund und die Buhlschaft mit dem Teufel sowie der Hexentanz. Und die Beschuldigten sollten Namen nennen, wie es der Verschwörungstheorie entsprach: Vom wem hat sie es gelernt, wem hat sie es beigebracht, wen hat sie auf dem Hexentanz gesehen”, erklärt Rügge. „Damit erhielten die Verfolger nach und nach eine ganze Liste von Personen, gegen die man – nach eigenen Prioritäten – vorgehen konnte. So brachte jeder Prozess neue Beschuldigungen hervor, Munition für die schreckliche Dynamik der Verfolgungswellen”. 

Auf den Spuren der Hexenverfolgung in Osnabrück – sogar im Escape Room am Neumarkt
Auf die Schreckenstaten und Vergehen im Bucksturm deutet heute eine Anzeigetafel hin. / Foto: Melissa Bremer

Im Rahmen dieses Prozesses kam es auch in Osnabrück zu der so genannten Wasserprobe, bei der die angeklagten Frauen angeblich ihre (Un-)Schuld beweisen konnten. „Dabei wurden die Beschuldigten mit kreuzweise festgebundenen Gliedern in ein Gewässer geworfen. In Osnabrück geschah dieses in der Hase, meist wohl beim Kumpersturm am Herrenteich, der auch als Haftort diente. Schwammen sie oben, galt dies als Beweis für den Teufelsbund”, schreibt Rügge. So verfolgte der Stadtrat die Strategie, durch das Schockerlebnis an ein Geständnis der Opfer zu gelangen – sofern das nicht wirkte, folgte das peinliche Verhör im Bucksturm. 

Auf den Spuren der Hexenverfolgung in Osnabrück – sogar im Escape Room am Neumarkt
In der Hase wurde die so genannte Wasserprobe durchgeführt. / Foto: Melissa Bremer

„Der Weg der Frauen zur Wasserprobe ist nicht verbürgt, durch den angeblichen Hexengang über den exemten Dombezirk wird er aber kaum geführt haben. Diese bekannte Bezeichnung klingt eher wie eine jüngere Erfindung, die das katholische Wahrzeichen der Stadt mit den Verfolgungen in Zusammenhang bringen will“, so Rügge. Trotz des Bekanntheitsgrades und des Namens scheint die Bezeichnung Hexengang, eigentlich Klapperhagen, demnach irreführend und historisch in diesem Zusammenhang unbedeutend zu sein.

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Der Osnabrücker Klapperhagen ist auch als Hexengang bekannt und führt Richtung Dom. / Foto: Melissa Bremer

„Zu den herausragenden Schauplätzen gehören vielmehr das Rathaus, in dem ein Sitzungssaal nach Anna Ameldung, benannt ist, sowie die lutherische Marienkirche, wo die Grabmäler von Bürgermeister Hammacher und Pastor Grave leider verschwunden sind“, so Dr. Nicolas Rügge. „So bildete das Altstädter Rathaus, das am Markt gelegene Zentrum der städtischen Macht, die Kulisse für den öffentlichen Schlussakt”, schildert Rügge. Demnach ereignete sich dort nach der Einholung des Geständnisses die öffentliche Hinrichtung der Frauen, bei der diese meist verbrannt wurden.

Osnabrücker Rathaus / Foto: Schweer
Osnabrücker Rathaus / Foto: Schweer

Osnabrücker Gedenkstätte

Auf die Verbrennung der Hexen macht unter anderem der 1986 entstandene Bürgerbrunnen, geschaffen von Hans Gerd Ruwe, am Platz des Westfälischen Friedens in der Nähe des Marktes aufmerksam. Dieser zeigt neben einer Vielzahl von anderen Motiven auch einen Scheiterhaufen im Rahmen, der die Hexenverfolgung andeutet. „Eine 1988 ergänzte Erläuterungstatel mit Hinweis auf die Hexenverfolgung fehlt inzwischen”, erwähnt Rügge in seinem Buch.

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Der Osnabrücker Bürgerbrunnen zeigt unter anderem einen Scheiterhaufen und deutet eine Wasserprobe an. / Foto: Melissa Bremer

Zudem erinnert auch die seit 1999 eingeweihte Erinnerungsstätte „Hexenwahn” an der Mühlenstraße speziell an das Thema. Axel Grundrum schuf im Auftrag der Stadt zwei Wandbilder, darunter den „Hexenwahn”, die der Verfolgung von Unschuldigen gedenken sollen.

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Die Erinnerungsstätte „Hexenwahn” an der Mühlenstraße, angebracht auf einer von privater Seite zur Verfügung gestellten Fläche, zeigt eins von zwei Fassadenbildern, die als „Ort mahnender Erinnerung an die Verfolgung Unschuldiger” gedacht sind. / Foto: Melissa Bremer

Seit 2020 gibt es außerdem eine Gedenktafel am L&T Sporthaus, die an die Opfer der Hexenverfolgung in Osnabrück erinnern soll. Die Tafel weist auf eine Vielzahl der Todesopfer namentlich hin, bietet Kontext zu den Gewalttaten, die sich vor einigen Jahrhunderten in diesen Straßen abgespielt haben und ermöglicht durch das besondere Druckverfahren, Porträts von Frauen im Wechseleffekt zu historischen Darstellungen zu sehen. Zuvor wurde in der Nähe in den 1990er Jahren der Rest des Kumpersturm, auch Hexenturm genannt, wo sich die Wasserproben ereignet haben, abgetragen und durch ein neu gebautes Türmchen ersetzt. Dieses musste 2017 abgerissen werden und wurde daraufhin einige Jahre später durch die L&T Gedenktafel ersetzt.

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Die Gedenktafel am L&T Sporthaus befindet sich gegenüber der Hase, wird aber leider immer wieder durch LKW oder wie hier auf dem Bild durch Container verdeckt. / Foto: Melissa Bremer

Osnabrücks Geschichte spielerisch entdecken

Neben den historischen Schauplätzen und den offiziellen von der Stadt errichteten Erinnerungsstätten erinnert auch der Escape Room „Mindhunters” am Neumarkt an die Hexenverfolgung in Osnabrück. Im „Pakt mit dem Teufel”-Raum kann eine Gruppe von bis zu sechs Personen die Rätsel rund um den Fall von Anna Ameldung lösen. Das Schicksal der jungen Apothekersfrau, die als einige der wenigen Frauen der Oberschicht von Osnabrück der Hexerei beschuldigt wurde, gilt nämlich als einer der am besten recherchierten Fälle der Umgebung, da viele Quellen überliefert werden konnten. Das Team von „Mindhunters” rund um Dominik Tausch und Maximilian Witte machte es sich zur Aufgabe, Erinnerungskultur kreativ umzusetzen.

Fall Anna Ameldung so realitätsnah wie möglich erleben

Der „Pakt mit dem Teufel”-Raum orientiert sich also an handfesten Fakten und bildet real den historischen Prozess nach, wie er von den niedersächsischen Landesarchiven festgehalten wurde. Dementsprechend wurden Original-Prozessakten und Briefe von Anna Ameldungs Ehemann, dem Apotheker Heinrich Ameldung, der sie vor dem grausamen Schicksal bewahren wollte, verwendet, um die Geschichte so wahrheitsgetreu wie möglich zu erzählen. „Wir wollten einen Escape Room machen, und wir wollten Themen umsetzen, die die Stadtgeschichte beinhalten. Wir fanden es spannend, selber zu recherchieren und zu sehen, was die eigene Stadtgeschichte bietet”, erzählt Dominik Tausch im Gespräch mit unserer Redaktion.

Schon im Eingangsbereich vom „Pakt mit dem Teufel"-Raum wird man ins Mittelalter zurückgeführt. / Foto: Melissa Bremer
Schon im Eingangsbereich vom „Pakt mit dem Teufel”-Raum wird man ins Mittelalter zurückgeführt. / Foto: Melissa Bremer

„Der Ansatz war, es realitätsnah umzusetzen. Um einen Spannungsbogen zu erzeugen und Rätsel in die Geschichte einzubauen, sind natürlich nicht alle Details aus der Geschichte genommen. Das funktioniert so nicht und ist in einem Escape Room nicht umsetzbar, aber es ist schon sehr viel aus der echten Geschichte. Die Einführung und der Abspann und was da erzählt wird, das sind alles Fakten”, so Tausch. Neben den historischen Gegebenheiten wie der Wasserprobe erinnert zum Beispiel auch die Mahntafel im Escape Room – ähnlich wie die Gedenktafel bei L&T – an verschiedene Todesopfer, deren Namen überliefert werden konnten.

Erinnerungskultur aufrechterhalten

Das Thema des Raumes erntet verschiedene Reaktionen: Während einige Besucherinnen und Besucher vollkommen überrascht sind, da sie eine fiktionale Geschichte erwartet haben, haben andere sich bereits intensiv im Vorfeld informiert und sind gespannt, wie detailreich der Fall von Anna Ameldung umgesetzt wird. „Aber gerade solche Leute, die sich auch vorher informiert haben, sind dann primär auch die, die danach dann noch mal fragen: Dieses oder jenes Detail, war das wirklich so”, berichtet Tausch. Wer sich für einen Besuch im Escape Room „Mindhunters” mit seinem „Pakt mit dem Teufel”-Raum interessiert, kann sich auf der Webseite der Einrichtung informieren.


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