Normalerweise haben die Mitarbeiter des Ordnungsaußendienstes (OAD) in Osnabrück die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung oder der Leinenpflicht im Auge. Heute kommt ihnen eine ganz neue Aufgabe zu: Die Kontrolle der Einhaltung von Kontaktbeschränkungen.
Am 23. März 2020 trat in Niedersachsen das bis heute gültige „Kontaktverbot“ in Kraft. Soziale Kontakte sollen grundsätzlich auf das absolut notwendige Minimum beschränkt werden; Ansammlungen von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum sind verboten. Seit dem 23. März hat sich vieles geändert: Innerhalb von 35 Tagen wurden 21 Infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügungen in Osnabrück veranlasst. In einem kurzen Zeitraum war die Anteilnahme an Beerdigungen der Geschwister untersagt, Eisdielen mussten vorerst schließen, durften dann wieder öffnen und langsam können Einzelhändler schrittweise zur „Normalität“ zurückkehren. Eins ist seit dem Stichtag beim Alten geblieben: Täglich ist die Polizei und der Ordnungsaußendienst verstärkt in Osnabrück unterwegs und kontrolliert die Einhaltung der Vorschriften, die sich teilweise im Tagestakt ändern.
Jeden Tag im Einsatz
Im Zweischichtbetrieb gehen die Mitarbeiter des OAD jeden Tag auf Streife. Sie prüfen ob Kontaktbeschränkungen, Maskenpflicht im Supermarkt, aber auch die Schließung von Friseurläden eingehalten wird. Um die Route übersichtlicher zu gestalten, wurde das Stadtgebiet in mehrere Routen, beziehungsweise Gebiete aufgeteilt, die mehrmals täglich befahren werden. Dabei kommt der Ordnungsaußendienst nicht immer in den gewohnten blau-gelb-weißen Farben: Die Dienstfahrzeuge werden knapp und teilweise vom Osnabrücker ServiceBetrieb oder der Feuerwehr Osnabrück angeliehen. Manchmal bleibt nur noch der alte Audi übrig, der durch ein Metallschild mit der Aufschrift „Ordnungsbehörde“ als Dienstwagen gekennzeichnet wurde.
Ein eingespieltes Team
Thorsten Pohl und Gudrun Bartels sind jetzt seit knapp fünf Wochen gemeinsam auf „Corona-Streife“. Eine besondere Situation, denn Bartels arbeitet für gewöhnlich in der Bußgeldstelle der Stadt Osnabrück. Sie hat den Schreibtisch verlassen, sitzt gemeinsam mit Pohl fast jeden Tag mehrere Stunden im Auto und kontrolliert die Einhaltung der infektionsschutzrechtlichen Allgemeinverfügungen. Ein Bild, das sich vor Ausbruch des Coronavirus nicht ergeben hätte. „An der Bußgeldstelle haben wir meistens nur die Gesichter der Mitarbeiter des OAD gekannt, Namen eher nicht“, schmunzelt Bartels. Mittlerweile sind die beiden ein eingespieltes Team und unterhalten sich während der Streife auch über Privates: kaputte Spülmaschinen und den fälligen Besuch beim Friseur. Währenddessen blicken sie sich nach rechts und links um, behalten die Einhaltung des „Kontaktverbots“, der Einlassbeschränkungen im Supermarkt und Spielplätze im Auge.
Verstöße nehmen immer weiter ab
Viele Osnabrücker haben die zahlreichen Verbote verinnerlicht und halten sich an Mindestabstand sowie an sonstige Verhaltensregeln. „Es liegt bei den Meisten mittlerweile im Blut und die Verstöße werden weniger. Schließlich wollen sie ja auch gesund bleiben“, erzählt Pohl während der Autofahrt durch den Stadtteil Hellern. Abgesehen von einem Supermarkt an der Lengericher Landstraße, der noch keine strikten Einlasskontrollen durchführt, ist hier alles ruhig und alle halten sich an die Beschränkungen. Ob es nun am bewölkten Wetter oder an der Vernunft der Bevölkerung liegt: Bartels und Pohl mussten heute keine Bußgelder verteilen. Doch nicht jeder Tag auf Patrouille ist so entspannt.
Von Coronavirus-Leugnern bis hin zur Körperverletzung
„Wir haben zwar überwiegend mit einsichtigen Menschen zu tun, aber einige wollen sich einfach nicht an die Gesetze halten. Oft müssen wir mehrmals erklären, warum Ansammlungen im Freien verboten sind und doch verstehen sie es nicht. Manche streiten sogar ab, dass es das Coronavirus überhaupt gibt“, berichtet Bartels. Vor einigen Wochen kam es sogar zu einem Fall schwerer Körperverletzung: Während der Streife wurde Bartels von einem Uneinsichtigen angehustet und beleidigt. „Nur wegen eurem scheiß Corona!“, rief er ihr zu. Bartels und Pohl wurden von ihren Kollegen isoliert, erst nach dem negativen Testergebnis durften sie ihrem Dienst wie gewohnt nachgehen. Einige Uneinsichtige sehen sie immer wieder, an Brennpunkten wie der Wassermannstraße, im Schlossgarten oder am Rubbenbruchsee. In diesen Fällen wurde teilweise Bußgeld in Höhe von mehreren Hundert Euro fällig. „Aber auch hier können wir nicht alles fahnden. Wohnungslose ohne Personalausweis und Geld können schlecht strafrechtlich verfolgt werden“, so Pohl beim Gang durch die Johannisstraße. Er arbeitet erst seit knapp einem Jahr im Ordnungsaußendienst und musste sich schon mehrmals auf neue Gesetze umstellen, doch 21 Allgemeinverfügungen sind für ihn Neugebiet. „Die Verordnungen wechseln zu schnell. An einem Tag müssen wir Eisdielen und Imbisse schließen, teilweise auch unter Tränen der Inhaber. Am nächsten Tag dürfen sie dann wieder öffnen und lediglich der Verzehr im Umkreis von 50 Metern ist untersagt.“
Arbeit mit Fingerspitzengefühl, aber nicht im rechtsleeren Raum
„Das wir Läden schließen mussten, ging uns auch nahe“, schließt sich Bartels an. „Momentan stehen viele Existenzen auf der Kippe und wir sehen den Betreibern die Verzweiflung an.“ Deswegen gehen die beiden mit viel Fingerspitzengefühl an die Durchsetzung der Verfügungen. Sie versuchen Verstöße mit Worten zu klären, bevor sie Bußgelder verhängen und halten niemanden ohne guten Grund in der Fußgängerzone an. „Nach fünf Wochen erkennen wir jetzt schnell, wer zu einer Familie gehört und wirklich mit mehr als zwei Personen spazieren gehen kann. Wohngemeinschaften sind da eine Ausnahme. Vor ein paar Tagen erst habe ich eine Gruppe von zehn Personen angesprochen, die Sport im Garten getrieben haben. Bei der Kontrolle stellte sich heraus, dass sie alle in einer Wohngemeinschaft leben“, lacht der Mitarbeiter des OAD. Für einige Menschen scheinen die infektionsschutzrechtlichen Allgemeinverfügungen jedoch bereits bestehende Gesetze außer Kraft zu setzen. “Verstöße gegen die Leinenpflicht bei Hunden oder Fahrradfahren auf dem Bürgersteig ahnden wir natürlich trotzdem. Nur weil sich ein Virus ausbreitet befinden wir uns nicht im einem rechtsleeren Raum.”