Es war die Top-Meldung auf allen Kanälen am Freitagmorgen: Hunderte Bundes- und Landespolitiker und eine bunte Mischung aus Prominenten, wie Jan Böhmermann oder Oliver Welke, sehen sich mit der Veröffentlichung teils sehr privater Informationen konfrontiert.
Auch der Osnabrücker Bundestagsabgeordnete Mathias Middelberg, der Landtagsabgeordnete und SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Frank Henning, und der ebenfalls mit Wahlkreis in Osnabrück vertretene Landesinnenminister Boris Pistorius wurden „geowned“, wie der unbekannte Hacker die Veröffentlichung von teils sehr belanglosen Daten nennt.
Ganz so leicht auffindbar, wie nach einem Bericht des Berlin-Brandenburger Senders RBB, der am Donnerstag zuerst darüber berichtete, sind die Informationen inzwischen nicht mehr.
Daten wurden bislang nur halbherzig aus dem Internet entfernt
Offensichtlich haben zuständige Behörden kurzfristig – nachdem die Daten bereits seit Wochen im Netz kursierten – ihre direkten Kanäle genutzt und zumindest die in Deutschland aktiven Suchmaschinen, allen voran Google, dazu veranlasst ihren Suchindex zu manipulieren. Auch archivierte Suchergebnisse, die Hinweise auf die veröffentlichten Daten geben könnten, sind aus dem Cache-Speicher von Google & Co verschwunden.
Ein Großteil der Daten wurde ursprünglich auf einem freien Bloggingservice abgelegt, auch der Account war am Freitagvormittag rückstandslos gelöscht.
Twitter gibt Hinweise auf Verbleib der Daten
Der Zugriff auf Twitter scheint den deutschen Behörden allerdings schwer zu fallen. Der Twitter-Account des Unbekannten, der sich selbst mit Attributen wie „Künstler“, „Satire“ und „Ironie“ in Verbindung bringt, war bis in den Vormittag noch erreichbar.
Mit ein wenig Hartnäckigkeit lassen sich so auch weiterhin die im Rahmen eines Adventskalenders seit Wochen veröffentlichten Daten im Internet finden.
Der Unbekannte nutzte für die Veröffentlichung eine Vielzahl von anonymen Plattformen, die teils zum Beispiel als Veröffentlichungsservice für eBay-Produktbilder genutzt werden. In einigen Fällen wurden auch anonyme Server der Filesharing-Szene, die in einer rechtlichen Grauzone agieren, genutzt.
Ein Haufen digitaler Banalitäten
Viele Informationen, die sich nach einer kurzen Recherche finden lassen sind banal. Dass die Mailadressen der Abgeordneten im Bundestag oder im Europaparlament aus einer Kombination von Vorname und Nachname gebildet werden, ist kein Geheimwissen. Auch die Privatadressen vieler Politiker sind meist ganz offen auf ihren Abgeordneten-Homepages oder teils sogar in Online-Telefonverzeichnissen zu finden. Und das Til Schweiger privat angeblich eine Mailadresse des etwas angestaubten Dienstleisters Yahoo nutzen soll und irgendwann von Hamburg nach Berlin gezogen ist, dürfte ungefähr genauso interessant sein wie die akribische Auflistung aller ehemaligen Wohnadressen von Jan Böhmermann – beginnend mit seiner Studentenbude in Köln.
Von den drei Osnabrücker Politikern Frank Henning (SPD), Boris Pistorius (SPD) und Mathias Middelberg (CDU) sind die Handynummern zu finden, für die beiden SPD-Politiker auch die Privatadressen, die zumindest bei Frank Henning auch an verschiedenen anderen Stellen im Netz zu finden ist – ohne dabei auf potentiell illegalen Filesharingseiten suchen zu müssen.
Auch die zahlreichen Rechnungsinformationen von Prominenten, entpuppen sich vorwiegend als belanglos. Dass Jan Böhmermann, mit dem sich der unbekannte Hacker ganz besonders beschäftigt hat, im Frühjahr vergangenen Jahres die Jahresgebühr in Höhe von netto 2,52 Euro für das Mietfahrrad-Angebot der Deutschen Bahn bezahlte, oder wie die Vornamen seiner Kinder lauten, dürfte wirklich nur Hardcore-Fans interessieren. Ein mit Screenshot dokumentierter Chatverlauf von Böhmermann mit dem Grünen Konstantin von Notz bringt nicht mehr als die Erkenntnis, dass diesem eine Sendung von Böhmermann gefallen hat.
Dass es dem Unbekannten möglich war an diese Daten zu kommen, könnte durch einfaches Passwort-Raten – und vermutlich viel Langeweile – zu erklären sein.
Stammt der Hacker aus der „rechten Ecke“?
Die Abwesenheit von (vermeintlichen) „Leaks“ aus der AfD-Fraktion ist hingegen schon auffälliger, denn zahlreiche der veröffentlichten Daten konzentrieren sich auf eher linke Künstler, wie das Sprechgesang-Trio K.I.Z., das auch beim Konzert gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Chemnitz unter dem Motto „Wir sind mehr“ teilgenommen hatte. Bei diesem Konzert war auch der ostdeutsche Rapper Marteria dabei, dessen private Mail-Adresse sich auch in den online kursierenden Daten findet.
Selber suchen lohnt nicht – im Gegenteil
Vor einer eigenen Recherche sei gewarnt. Einige der Server, auf denen die nur oberflächlich brisanten Daten zu finden sind, werden für das illegale Tauschen von Filmkopien genutzt. Wer dort nicht mit einem entsprechend abgesicherten PC vorbeischaut, läuft Gefahr sich Schadprogramme einzuhandeln und so selbst zum Hacker-Opfer zu werden.