Mitten in der Innenstadt legen Mitarbeitende der Stadt- und Kreisarchäologie Reste der Osnabrücker Stadtgeschichte frei. Gegraben wird seit November 2023 auf dem Schulhof an der Rolandsmauer. Unter großen Tunnelzelten sind Mauerstrukturen, eine Feuerstelle und Lehmfußböden mittelalterlicher Wohnbebauung freigelegt worden. Zahlreiche Funde geben Einblick in das Leben der damaligen Stadtbevölkerung.
Sara Snowadsky und Ellinor Fischer sind seit 20 Jahren für die Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück tätig. Bereits als Studentinnen der Archäologie gruben sie in der Osnabrücker Erde Artefakte aus. Auch heute ist es noch so, dass das Ausgrabungsteam vor allem aus Studenten besteht. Die Grabungsleitung haben nunmehr die beiden Frauen inne. Zusammen mit Axel Friederichs, Leiter der Stadt- und Kreisarchäologie Osnabrück, sowie ihrer rechten Hand, Archäologe Laurenz Holtorf, studieren Sie alte Pläne, bestimmen den Grabungsort und führen das Team durch die Erdschichten, Grabungsschnitte und Profile.
Hünnefelder Hof im 16. Jahrhundert ist erster Nachweis von Besiedelung
Die Geschichte des Schulhofes breitet sich in den Tiefen der Erde vor den inneren Augen der Archäologen aus. Während der Laie in den Tunnelzelten vor allem Erde und Steine entdeckt, liest das geschulte Archäologenauge in den Profilen. Zusammen mit historischen Plänen ist ersichtlich, dass die sehr breit angelegten Steine die unterste Schicht von massiven Grundmauern des Adelssitzes Hünnefelder Hof aus dem 16. Jahrhundert sind. Doch da ist noch mehr: Weniger starke Mauerreste, in Höhe einer künstlich angelegten Lehmschicht. Grabungsleiterin Fischer vermutet hier den Bodenbereich von noch älteren Fachwerkhäusern.
Die große Frage ist, wann dieser Bereich von Osnabrück besiedelt wurde? Die Rolandschule befindet sich zwischen der Katharinenkirche und der Marienkirche, deren Siedlungen um 1200 (Katharinenkirche) und im 9. Jahrhundert (Marienkirche) entstanden. Klar ist bisher nur, dass es an dieser Stelle den Hünnefelder Hof gab und ab ca. 1850 ein Militärlazarett, welches beide Weltkriege über die Verwundeten versorgte.
See-Igel als Talismann waren beliebt
Das Besondere an dem Ausgrabungsort auf dem Gelände der Schule an der Rolandsmauer ist, dass nach etwa einem Meter sogenannter „durchmischter Schicht“ direkt das Mittelalter kommt. Spuren der Neuzeit sind nicht zu finden. Innerhalb dieses einen Meters wurden bereits sehr viele Funde geborgen. Das größte Artefakt ist eine graue, schwere Flasche aus Steingut. In diesen Flachen wurde damals millionenfach „Heilwasser“ aus der Niederselters-Quelle im Taunus verkauft, und das nicht gerade günstig, wie Grabungsleiterin Snowadsky verrät. Trotz aller Vorsicht, hat der Bagger das offenbar gar nicht so seltene Stück angebrochen. Die kleinsten Artefakte sind zwei Silbermünzen aus der Zeit um 1300 und eine Nähnadel, die nur dem geschulten Graber mit Schäufelchen und Pinsel nicht entgehen. Auch eine kleine Handspindel ist gefunden worden und ein Talismann in Form eines Seeigels. Erstaunlicherweise würde man diesen Glücksbringer auch in anderen Regionen öfters bei Ausgrabungen finden.
Seltene Gelegenheit, auf Spurensuche unserer Vorfahren zu gehen
Am Sonntag, 25. Februar, findet ein „Tag der offenen Grabung“ statt. Dort kann man im Schulgebäude weitere Funde sichten, wie Keramikstücke und auch Knochen von Tieren. Auch ausliegende Karten geben einen Einblick in die Bebauung vor hunderten von Jahren. Relativ wetterfest können in den Tunnelzelten die verschiedenen Erdschichten und Mauerreste besichtigt werden.
Sobald die neue Friedensschule gebaut sein wird, ist dies nicht mehr möglich. Viele Artefakte werden dokumentiert und danach vernichtet. Es wäre beispielsweise zu aufwändig, metallene Nägel einzufrieren und zu lagern. Da es unzählige Nägel gibt, lohne der Aufwand nicht, so Snowadsky. Anders gelagert wäre der Fall, handelte es sich beispielsweise um eisenzeitliche Waffengeschmiede. Auch die Mauerreste, Feuerstellen und andere Zeugen aus der Zeit unserer Vorfahren werden rückgebaut. Lediglich ein 3-D-Modell und die Erinnerung in den Schulkorridoren an die darunterliegenden Epochen werden bleiben.
Traurig seien die Grabungsleiterinnen darüber nicht mehr, man gewöhne sich daran. Was man über Monate hinweg freigelegt habe, würde von einem Bagger in drei Tagen vernichtet. „Doch ich bin einfach zufrieden, daran mitgewirkt zu haben, für die Nachwelt diese Dinge freizulegen. Es ist schon etwas sehr Besonderes, an Stellen zu stehen, an denen das letzte Mal vor hunderten von Jahren Menschen sich bewegt und gelebt haben.“