Mehr als 800 Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdiensten und Feuerwehr übten, initiiert von der Polizeidirektion Osnabrück, am Samstag (25. Mai 2024) für einen Ernstfall, bei dem die Sicherheit der Bevölkerung in erheblichem Maße bedroht ist. Angenommen wurde ein politisch motivierter Anschlag auf ein Bürgerfest. In der Vollübung wurde das komplette Zusammenspiel der Sicherheitsorgane bis zur Landesebene geprobt. Neben dem Einsatz vor Ort wurden auch die Ermittlungs- und Kommunikationsstrukturen im Hintergrund getestet.
Zwar bestünden keine konkreten Hinweise auf bevorstehende Anschläge, doch die Gefährdungslage sei aufgrund politischer Instabilitäten in Deutschland und der Welt allgemein erhöht, waren sich die Verantwortlichen der Polizei, der Landrat des Kreises Grafschaft Bentheim, Uwe Fietzek, und die Niedersächsiche Innenministerin Daniela Behrens einig. „Eine gewalttätige, terroristische Übertragung der politischen Lage wird wahrscheinlicher.“, ordnete Oliver Voges, Leiter der Polizeiinspektion Osnabrück, den Ausgangspunkt für die Bemühungen der Sicherheitsbehörden ein.
Diese hatten einen hohen Aufwand betrieben, um eine solch umfassende Übung durchzuführen. Über sieben Monate hinweg hatten rund 50 Planer in zwei Übungsstäben der Polizei und der Rettungskräfte das Szenario ausgearbeitet. Auf dem Gelände der Bentheimer Eisenbahn AG hatten sie einen geeigneten Ort für die Simulation gefunden, an dem 100 geschulte Darstellende und mehrere hundert Einsatzkräfte, beobachtet von 90 geladenen Gästen und Pressevertretern, trainieren konnten. Hunderte weitere Einsatzkräfte waren an unterschiedlichen Orten in Niedersachsen involviert. Über 800 Einsatzkräfte waren insgesamt beteiligt.
Angreifer sticht auf Menschen ein
Gegen 10 Uhr startete der fiktive Einsatz mit einem PKW, der in einen Marktstand gefahren war. Dann stieg der Täter aus seinem Auto aus und lief auf eine größere Ansammlung von Menschen zu, die etwas entfernt war. Er stach mit einem Messer auf mehrere Personen ein. Die weiteren Anwesenden flüchteten daraufhin und auch der Angreifer verschwand zunächst.
Die zuerst eingetroffenen Streifenwagenbesatzungen der Polizei versuchten, einen Überlick über die Lage zu bekommen. Sie wurden mit mehreren Verletzten, Toten und Menschen in Panik, die wild durcheinander liefen, konfrontiert. Rettungsdienst, Feuerwehr und Seelsorger trafen wenig später ein, konnten aber zunächst ihre Arbeit nicht vollumfänglich aufnehmen. Denn es war unklar, wo sich der Täter befand und welche weitere Gefahr von ihm ausging.
Plötzlich näherte sich dieser erneut dem Versammlungsort. Die Streifenbeamten reagierten schnell und konnten ihn festnehmen.
Rettungskräfte kümmern sich um viele Verletzte
Nun konnten die Rettungsarbeiten richtig anlaufen und der sogenannte Massenanfall von Verletzten bewältigt werden. Dieser wird oft auch im Rahmen von Unfall- und Brandszenarien geübt. Eine schwer verletzte Person, die unter den PKW geraten war, musste mit technischem Gerät befreit werden. Außerdem trafen spezialisierte Kräfte der Polizei ein, die nach versteckten Gefahren suchten und den Einsatz absicherten. Erste Ermittlungen zeigten die politische Motivation des Angreifers, welcher der Reichsbürgerszene zugeordnet werden konnte. Auch zum Halter des gab es Vorerkenntnisse und Indizien auf eine mögliche Tatbeteiligung. So folgte auch ein SEK-Einsatz anderenortes.
Polizei fasst Täter und stellt Sicherheit wieder her
Über die folgenden Stunden hinweg liefen die Aufklärungsarbeiten der Polizei. Spezielle Betreuungsgruppen registrierten alle Gäste der angenommenen Veranstaltung. Nach Eingangsgesprächen erhielten diese eine zielgerichtete Versorgung medizinischer oder psychologischer Art und relevante Zeugen wurden von Ermittlern befragt. Zahlreiche Experten der Kriminaltechnik suchten und sicherten Spuren auf dem weitläufigen Gelände, während an anderen Orten Ermittler die Informationen vom Tatort, über den Täter und sein Umfeld zusammentrugen und auswerteten.
Auch die Kommunikationsstränge in der Polizei waren intensiv beschäftigt. Interne Dialogwege zum Landeskriminalamt, dem Polizeipräsidium und dem Landesinnenministerium mussten verlässlich bedient werden. Außerdem galt es, eine Flut von Anfragen aus der Bevölkerung und von Angehörigen per Telefon bzw. aus sozialen Medien zu bewältigen und einigen Falschmeldungen zu begegnen. Auch ein hohes Presseinteresse wurde angenommen.
Ein erstes positives Zwischenfazit zogen die Verantwortlichen gegen 13:45 Uhr. Ihrer Ansicht nach hatte sich bestätigt, was sie am Morgen angenommen hatten: Ein hohes bestehendes Niveau in der behördenübergreifenden Zusammenarbeit und der Vorbereitung auf derartige Szenarien. Schließlich wird regelmäßig in kleineren Teilbereichen geprobt und die Einsatzkonzepte stets auf neue Erkenntnisse angepasst.
Dennoch war erklärtes Ziel, diese Vollübung zu nutzen und Schwachstellen zu identifizieren. Ein Schaulaufen sollte es keineswegs sein. Auch Nicola Simon, Leiterin der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim und Einsatzleiterin des Tages, hoffte vorweg „Fehler zu finden, um diese in Echtlagen zu verhindern“.
Ziel: Schwachstellen identifizieren und Handlungssicherheit gewinnen
Landesinnenministerin Daniela Behrens stand bei ihrem Besuch am Mittag hinter dem Aufwand, der dafür betrieben wurde. „In der Polizei arbeiten sehr viele engagierte Menschen, die sich jeden Tag um unsere Sicherheit kümmern. Ich bin dankbar, dass die Beamten zusätzlich zur regulären Arbeit an der Übung teilnehmen und hoffe, dass auch sie etwas davon haben, nämlich Sicherheit im Umgang mit Extremlagen.“, so die oberste Dienstherrin der Landespolizei.