Wie stellt man sich einen Rockmusiker vor? Mit langen Haaren, einem Vollbart und schwarzen Klamotten würden die meisten sagen. Andrew Jones macht tagsüber jedoch einen ganz anderen Anschein, wenn er als Dozent der Universität Osnabrück Englische Sprachpraxis lehrt. Erst in den Abendstunden wird er zu einem Vollblutrocker.
Vor 37 Jahren wurde Andrew Jones in der britischen Stadt Newcastle geboren. Die Musik lag ihm schon damals im Blut, er war Mitglied des Schulchors und im jungen Alter von elf Jahren schrieb er seinen ersten eigenen Song. Er begann zu singen, Klavier zu spielen und bald kamen die nächsten Leidenschaften hinzu: Sprachwissenschaft und Kultur. Mit 18 Jahren begann er sein Germanistikstudium in Birmingham, wo er die deutsche Sprache samt Grammatik und Rechtschreibung lernte.
Der Werdegang einer lokalen Größe
Über den Pädagogischen Austauschdienst kam er nach Dortmund, wo er Sprachenleiter für den Bereich Englisch an der Technischen Universität Dortmund wurde und gleichzeitig seine erste Band gründete, „The Ferryman“. Mit der Abschaffung der Studiengebühren in Nordrheinwestfalen im Jahr 2011 endete allerdings auch seine Anstellung an der Universität. Es folgten Lehrstellen in Münster und Erlangen, bis er 2013 eine unbefristete Anstellung an der Universität Osnabrück erhielt. Seitdem ist er eine lokale Größe geworden, die tagsüber unterrichtet und an Wochenenden als Solokünstler auftritt.
Schlaf kommt zu kurz
Die Kombination aus Lehren und Musizieren ist in den Augen des 37-Jährigen perfekt: „Beide Tätigkeiten haben mit Stimmbändern zu tun und ich mache beides mit Leidenschaft.“ In der Praxis sieht es allerdings etwas anders aus, neben dem Beruf als Sänger und Dozent ist er Vater von zwei Kindern, das Dritte wird im Frühjahr 2020 geboren. „Momentan mangelt es mir vor allem an Schlaf“, schmunzelt Jones. „Die Semesterferien machen es aber einfacher, dann kann ich feste Tourzeiten einplanen. Im Semester trete ich eher freitags oder samstags auf, also muss ich strategisch denken.“
Beliebte Themen – Glückliche Studenten
An der Universität Osnabrück lehrt der Musiker Englische Sprachpraxis, das Zusammenspiel aus britischer Kultur und Sprache. Er befasst sich mit Populärkultur, Debattieren, interkultureller Kommunikation und Songwriting. Mit seiner Themenwahl lebt er am Puls der Zeit, momentan gibt er ein Seminar zu der populären Netflixserie „Black Mirror“ und deren Umgang mit Sprache und Philosophie. Im kommenden Sommersemester ist eine Lehrveranstaltung mit Rahmenthema „Game of Thrones“ geplant. „Die Kurse kommen bei den Studenten sehr gut an. In diesem Semester gebe ich vier Kurse, die komplett besetzt sind. Bei der Themenwahl lasse ich meine Studenten aber auch mitsprechen, denn nur wenn sie Spaß haben, kann ich es auch“, teilt der Dozent mit.
Musikalische Höhen und Tiefen
Spaß hat Jones auch auf der Bühne, wenn er als Solokünstler vor einem weniger wissenschaftlichen Publikum auftritt. Er spielt und komponiert eigene Songs der Musikrichtungen Rock und Folk, nur selten singt er die Stücke anderer Künstler nach. Inspirationen für seine eigenen Stücke findet er im Alltag: „Eigentlich kann mich alles zu einem Songtext inspirieren, deshalb sind die Themen, über die ich singe, auch sehr vielfältig. Auf einem Song meines kommenden Albums singe ich zum Beispiel über ein Paar, das sich nach 30 Jahren wiederentdeckt hat, in einem älteren Song über eine Kellnerin aus Prag.“ Aber er schlägt auch tiefere Töne an, wenn er über Kriege, Probleme von Flüchtlingskindern, oder mentale Gesundheit singt. „Gerade wegen solchen wichtigen Themen habe ich das kommende Album „Fights Like Ours“ genannt. Wir wissen leider viel zu selten, wie es einem Menschen wirklich geht, bevor wir ihn verurteilen.“ Das bereits dritte Studioalbum des Sängers erscheint im Mai nächsten Jahres.
Kulturschock für Studenten vorprogrammiert
Für viele Studenten löst die Tatsache, dass Jones live in Osnabrücker Bars und Kulturzentren, wie etwa „The Red Shamrock“ oder der Lagerhalle, auftritt, jedoch Verwirrung aus. Sie erscheinen zahlreich zu seinen Konzerten, um ihm zuzuhören, wissen aber nicht damit umzugehen, dass ihr Dozent vor ihnen singt. „Auf der Bühne bin ich nicht Dozent, sondern Musiker. Das heißt ich werde normalerweise auch nicht gesiezt“, lacht Jones. „Einige meiner Studenten kommen aber regelmäßig zu meinen Auftritten und wissen dann nicht genau, wie sich mich ansprechen sollen. Die meisten siezen mich und reden auf Englisch mit mir.“ Der nächste Auftritt von Andy Jones findet am Sonntag, den 15. Dezember um 20 Uhr in der Cafeteria Trattoria am Rathausplatz statt. Hier gibt er ein Charity Konzert für die wohltätigen Organisationen Hagel Hof e.V und Girls not Brides.