Die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Osnabrück Christiane Fern stellt die Arbeitsmarktbilanz 2022 vor. / Foto: Emrich
2022 war ein verhältnismäßig gutes Jahr für den Osnabrücker Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote sank im Vergleich zum Vorjahr, auch die Anzahl der Anzeigen zur Kurzarbeit in den Betrieben war niedriger als 2021. Insgesamt erholte sich der Arbeitsmarkt von der Corona-Pandemie und ihren Nachwirkungen; die Fluchtmigration aus der Ukraine, steigende Preise sowie Energiekosten und der demografische Wandel hinterließen dennoch Spuren.
„Der Arbeitsmarkt in Osnabrück hat sich im Verlauf von 2022 moderat gut entwickelt“, berichtet die Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Osnabrück Christiane Fern im Rahmen eines Pressegesprächs zur Arbeitsmarktbilanz am Montag (9. Januar). „Die Anzahl der arbeitslos gemeldeten Menschen ist fast wieder auf Vorcorona-Niveau.“ 2019 waren 12.182 Menschen aus der Region Osnabrück arbeitssuchend, bevor die Auswirkungen der Corona-Pandemie die Zahl im Jahr 2020 auf 14.436 hochgezogen haben. 2021 sank die Arbeitslosenzahl auf 13.497 und 2022 lag sie bei 12.500. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Arbeitslosenquote in der Region Osnabrück damit von 4,5 auf 4,1 Prozent gesunken.
Anzahl der Arbeitslosen stieg im zweiten Halbjahr an
Im ersten Halbjahr 2022 ist die Anzahl der arbeitslosen Menschen sowohl in Stadt als auch im Landkreis relativ konstant geblieben. Erst im Juni stieg die Zahl merklich an; ab diesem Zeitpunkt wurden die Geflüchteten aus der Ukraine in der Statistik des Jobcenters und der Agentur für Arbeit gelistet. Insbesondere die Anzahl der Personen, die Grundsicherung bezogen, ist in diesem Zeitraum angestiegen. Vor allem im Landkreis, der mehr geflüchtete Personen aufgenommen hat als die Stadt, erhielten mehr Personen Grundsicherungsbezüge. „Hierbei müssen wir aber auch beachten, dass viele Geflüchtete, die Deutschsprachkurse gemacht haben, in der Zahl mitinbegriffen sind“, führt Fern weiter aus. Auskunft über eine genaue Anzahl der bereits in den Arbeitsmarkt integrierten Ukrainerinnen und Ukrainer kann die Agentur für Arbeit noch nicht geben. „Wir wissen nur über die Personen Bescheid, die sich bei uns als arbeitssuchend gemeldet haben und danach vermittelt werden konnten. Das sind in der Region Osnabrücks etwa 300 Menschen, die mittlerweile sozialversicherungspflichtig oder geringfügig beschäftigt sind. Wir wissen nicht, wie viele der Geflüchteten direkt eine Anstellung gefunden haben, als sie angekommen sind.“
Demografischer Wandel intensiviert Fachkräftemangel
Eine weitere Tendenz des Jahres 2022 war der gestiegene Anteil an jüngeren Arbeitssuchenden. „Gerade diese Entwicklung finden wir besorgniserregend. Aber auch hier haben wir viele jüngere Ukrainerinnen und Ukrainer, die noch nach Arbeit suchen und die wir zu vermitteln versuchen“, erklärt Fern. Der sich seit Jahren abzeichnende Fachkräftemangel verschärfte sich 2022 ebenfalls: Etwa die Hälfte der arbeitslos gemeldeten Personen ist nur für Helfertätigkeiten qualifiziert. Mehr als sieben von zehn Stellen erfordern jedoch mindestens ein Fachkräfteniveau. Die Schere zwischen jungen und älteren Fachkräften geht dabei immer weiter auseinander. Branchenübergreifend ist der Anteil an Fachkräften, die über 55 Jahre alt sind, höher als der Anteil der Fachkräfte unter 25. Der demografische Wandel intensiviert den Fachkräftemangel demnach zusätzlich. „Generell ist der Arbeitsmarkt zu einem Arbeitnehmermarkt geworden. Viele haben Angst davor, sich mit 50 Jahren noch umschulen zu lassen und dann keinen Job mehr zu finden. Diese Befürchtung können wir auf jeden Fall von der Hand weisen. Fachkräfte werden überall gesucht und in jedem Alter.“
Fachkräfteeinwanderungsgesetz stärken
Christiane Fern sieht die Entwicklungen auf dem Osnabrücker Arbeitsmarkt im Jahr 2022 trotz der Herausforderungen positiv: „Die Arbeitslosenzahlen haben sich gut entwickelt und gerade bei den geflüchteten Personen aus der Ukraine sehen wir eine Chance für den regionalen Markt. Wenn sie dauerhaft bleiben und wir sie qualifizieren, können sie zu wichtigen Fachkräften werden. Grundsätzlich brauchen wir ein noch stärkeres Fachkräfteeinwanderungsgesetz – denn es braucht etwa 4.000 Einwanderer pro Jahr, um den demografischen Wandel und den damit verbundenen Fachkräftemangel auszugleichen.“ Weitere Punkte auf der Agenda der Agentur für Arbeit sind, die Option der dualen Ausbildung bei Jugendlichen zu stärken und die Qualifizierungsprogramme für Arbeitslose sowie Beschäftigte auszubauen. „Das klingt jetzt vielleicht pathetisch, aber Fachkräftemangel bedeutet auf lange Sicht auch Wohlstandsmangel. Genau hier wollen wir auch in Zukunft entgegenwirken“, schließt Fern das Pressegespräch.