Mit insgesamt 1.751.410 Euro wurde das „umweltsensitives Verkehrsmanagement“ in Osnabrück gefördert. Als sichtbare Ergebnisse für die Bürger und Steuerzahler sind dabei Hinweistafeln am Stadtrand und eine App herausgekommen.
Doch funktioniert das alles so, wie man es für den stolzen Preis erwarten kann?
Die Hinweistafeln, die im Bedarfsfall eine Zuflussdosierung ankündigen sollen, bleiben meist dunkel. Man hatte bei Beginn des Projekts „Umweltsensitives Verkehrsmanagement“ (UVM) nicht bedacht, dass die fortschreitende Elektrifizierung des PKW-Bestands und der städtischen Busflotte, sowie die zunehmend saubereren Verbrennermotoren, ihre Wirkung zeigen werden. Osnabrück hat kein Schadstoffproblem mehr, für das man den Verkehr beeinflussen müsste.
So musste die Stadtverwaltung bei einem Pressetermin Ende April eingestehen, dass es „eine absolute Ausnahme“ ist, dass das UVM überhaupt aktiv wird und in die Ampelschaltung eingreift. Lediglich siebenmal – sechsmal im vergangenen, bislang einmal in diesem Jahr – soll das der Fall gewesen sein.
Millionen für ein System, das nicht gebraucht wird
Oberbürgermeisterin Katharina Pötter versuchte das Ergebnis mit Hinblick auf die bessere Luft noch als „eine positive Nachricht“ zu ‚verkaufen‘.
Für den Steuerzahler dürfte es hingegen nur schwerlich nachzuvollziehbar sein, dass für einen Millionenbetrag ein System installiert wurde, das im Schnitt nur alle zwei Monate aktiv in den Verkehr eingreift, während an jedem einzelnen Tag des Jahres eine im Ampelsystem implementierte „Grüne Welle“ und ein effektives Baustellenmanagement viel positiver auf den Verkehr wirken würden.
Aber vielleicht ist wengistens die zugehörige App ja ein echter Gewinn für den mobilen Stadtbürger?
Und was kann die zugehörige App wirklich?
Ein weiteres Element des millionenschweren Pakets ist die Mobilität-App OS.mobil, die nach Eigenwerbung im Appstore wahre Wunderdinge bieten soll: „eine Verkehrslage in Echtzeit, welche die aktuelle Verkehrssituation in Osnabrück und Umgebung anzeigt, sodass vorhandene Sperrungen flexibel umfahren werden können.“
Was kann die Osnabrücker App im Vergleich zu Google und Apple?
„Sperrungen“, da gab es doch was? Vergangene Woche, als die Bombe im Stadthafen entschärft werden musste, richtete die Stadtverwaltung selbst eine Sperrung der Pagenstecherstraße ein. Das Evakuierungsgebiet musste dann bis in den Nachmittag über die Natruper Straße umfahren werden. Das ideale Szenario also um die App zu testen!
Wir haben die städtische App gegen die beiden Marktführer ‚Google Maps‘ (vorinstalliert auf ungefähr zwei Dritteln aller Smartphones) und Apple Karten‘ (Standardanwendung auf dem iPhone) getestet.
In der Karte zeigten alle Apps den Stau an
Alle drei Apps zeigten zum Testzeitpunkt gegen 14 Uhr am die Sperrung der Römereschstraße und der Pagenstecherstraße zwischen dem Eversburger Platz in ihren Karten korrekt an.
Zusätzlich zeigten auch alle drei Apps den Stau auf der empfohlenen Umfahrung über die Natruper Straße an.
Wir testeten die Verbindung vom Rißmüllerplatz (Dominikanerkirche) bis zum Eversburger Platz.
In weniger als 10 Minuten von der Dominikanerkirche nach Eversburg?
Obwohl die Sperrung der Pagenstecherstraße im Kartenmaterial korrekt angezeigt wurde, versprach die speziell für Osnabrück programmierte App optimistische 9 Minuten mit dem PKW. Tatsächlich ist das ein Wert, der auch bei nur wenig Verkehr gerade mal positiver Durchschnitt ist und bereits im normalen Berufsverkehr kaum zu erreichen ist.
Apple sucht einen cleveren Weg am Stau vorbei
Deutlich pessimistischer und wohl auch sehr nahe an den real erreichbaren Zahlen hingegen die App von Apple. Dort wurden zwei Routen zur Auswahl angeboten. Die schnellste Route, so Apple, wäre es gewesen die Pagenstecherstraße nur bis zum Springmannskamp (Netto) zu fahren, dann den Schleichweg über die Berghoffstraße (an Getränke Schröder vorbei) und weiter über die Natruper Straße. Prognostizierte Fahrzeit: 23 Minuten. „Mit weniger Abbiegungen“, aber deutlich länger, wäre es in 39 Minuten über die zugestaute Natruper Straße gegangen. Gewinner bis hier: Eindeutig die Karten-Applikation von Apple.
Auch Google versagte im Bomben-Stau
Zur Ehrenrettung der städtischen App trägt allerdings bei, dass ausgerechnet Marktführer Google mit seiner App ebenfalls völlig daneben lag und bei der Fahrtroute über die Natruper Straße unrealistische 11 Minuten prognostizierte. Alternativstrecken wurden von Google nicht berechnet und angeboten.
Busverkehr realistisch anzeigen können alle Apps nicht
Zusammengefasst gab es also folgende Fahrtzeitalkulationen:
Apple-Karten: 23 Minuten (bzw. alternativ 39 Minuten)
Google-Maps: 11 Minuten
OS.mobil: 9 Minuten
Obwohl auch die Busse vom Stau betroffen waren, versagten hier alle Apps gleichermaßen:
Apple-Karten: 12 Minuten
Google-Maps: 11 Minuten
OS.mobil: 7 Minuten
Auffällig ist hier vor allem die beim ÖPNV besonders optimistische Schätzung der städtischen App – dazu in einem späteren Artikel noch mehr.
App-Entwickler kann Versagen der OS-App nicht nachvollziehen
Wir haben die Stadtverwaltung zu dieser Beobachunt befragt. Nach Rückfrage beim App-Entwickler VMZ in Berlin gab es folgende Antwort:
„Google, Apple und die App OS.mobil greifen allesamt auf unterschiedliche FCD (Floating Car Data) zu, die sich allesamt leicht unterscheiden. So kommt es auch vor, dass einer der anderen Dienste einmal einen Stau oder stockenden Verkehr anzeigt, in der Realität aber schon wieder freie Fahrt möglich ist (und umgekehrt). Auch kann es bei anderen Diensten vorkommen, dass Fußgänger fälschlicherweise als langsame Autos gewertet werden. Eine Überprüfung durch das Unternehmen VMZ Berlin hat heute ergeben, dass die aktuellen Daten, mit denen das System arbeitet, rund eine Minute alt sind. Warum es zu der beobachteten fehlerhaften Berechnung kam, lässt sich nicht nachvollziehen. Das ist jedoch nichts, was nicht auch bei anderen Anbietern hin und wieder passiert.“
Kommentar des Redakteurs
Stimmt, Verkehrs- und Navgationsdaten sind nicht immer akkurat, wer regelmäßig mit dem Auto fährt, kann das bestätigen.
Allerdings versucht die Stadtverwaltung mit dem Osnabrücker Stadtgebiet in einem äußerst überschaubaren Bereich gegen potente Marktführer anzutreten. Apple und noch mehr Google erfassen den Verkehr auf dem gesamten Globus und haben immerhin Algorithmen entwickelt, die inzwischen wohl für milliardenfache Routenberechnungen genutzt wurden. Wenn man sich in so ein Haifischbecken traut, gleichzeitig aber nur einen äußerst überschaubaren Berech abdecken muss, dann sollte man auch ‚liefern‘ können!
Tatsächlich warnte die Stadt sogar selbst über den eigenen Newsticker über die erheblichen Behinderungen durch die von ihr selbst organisierte Sperrung der Pagenstecherstraße – aber wohl ohne Schnittstelle in die eigene App.
Das ausgerechnet die städtische App nicht in der Lage ist realisitische Fahrtzeiten anzuzeigen, ist ein Ärgernis – ein teures dazu.
Was die Entwicklung der App gekostet hat und was die weitere Pflege und der Betrieb kosten wird, wollte die Stadtverwaltung auch auf mehrfache Nachfrage nicht sagen.
PS: Vorgestellt wurde das Projekt vor vier Jahren vom jetzt bald scheidenden Stadtbaurat Frank Otte. Noch Fragen?